
KURIER: Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in österreichischen Unternehmen hat sehr spät begonnen. Warum hinken wir da in Österreich nach?
Oliver Rathkolb: Ich glaube, dass wir nicht nur in Österreich in dieser Frage spät begonnen haben. Es gibt zwar von den Alliierten frühe Studien über IG Farben, auch aufgrund der Nürnberger Prozesse, aber auch dort hat die kritische Wirtschaftsgeschichte spät begonnen. Wenn man genau schaut, tut sich auch dort erst etwas in den 1980er-Jahren. Man könnte sagen, die Bundesrepublik Deutschland ist vielleicht zehn Jahre früher in das Thema eingestiegen als Österreich. Bei uns war der Auslöser sicher Ende des vergangenen Jahrhunderts eine Serie von Sammelklagen gegen österreichische Unternehmen, sowohl aus dem Bereich der Industrie als auch aus dem Bereich der Banken und der Versicherungen – aufgrund von vermuteten Bank-Guthaben aus der NS-Zeit oder Bereicherungen während der NS-Zeit.
Sie haben auch zur Postsparkasse geforscht…
Ich habe im Auftrag des damaligen Gouverneurs der Postsparkasse Max Kothbauer eine erste Online-Studie gemacht zu dem Thema. Das hat sich sehr unterschieden von vielen anderen Studien. Da ging es nicht um eine reine wirtschaftshistorische Aufarbeitung, sondern wir haben zum ersten Mal ins Internet eine Liste mit stehengebliebenen Konten und Namen veröffentlicht und haben dann auch mit Nachkommen Korrespondenz aufgenommen. Es waren zwar sehr kleine Beträge, aber für viele war es einfach wichtig, mehr über ihre Vorfahren zu erfahren, die entweder ermordet wurden oder ins Exil getrieben wurden. Das war so eine erste, frühe Arbeit, auch Ende der 1990er-Jahre, und dann gefolgt von einer großen Arbeit für die voestalpine über die Reichswerke Hermann Göring und über die Elektrizitätswirtschaft.
Bei vielen Unternehmen ist es heute noch so, dass die Zeit zwischen der Weltwirtschaftskrise und 1945 ein blinder Fleck in der Unternehmensgeschichte ist.
Das ist sicherlich richtig, dass manche Unternehmen noch immer glauben, dass es marketingschädigend ist, wenn man sich mit dieser Zeit auseinandersetzt. Wem man genau hinschaut, auch die Situation in Deutschland ansieht, ist genau das Gegenteil der Fall. Ich habe gemeinsam mit Gerald Feldman, einem amerikanischen, leider schon verstorbenen Historiker, und anderen Kolleginnen eine Studie über die Creditanstalt Bankverein, Zentralsparkasse und Länderbank gemacht. Hier sind alle Rückmeldungen positiv gewesen. Die Öffentlichkeit will eigentlich die komplette historische Wahrheit. Wenn man sich schon mit Geschichte in einem Unternehmen beschäftigt, dann kann man bestimmte Zeiten, auch wenn sie dunkel, grausam und unangenehm sind, nicht auslassen.
Es ist oft in Unternehmen deshalb die NS-Zeit nicht aufgearbeitet worden, weil die Unternehmer oder Manager aus der NS-Zeit nach dem Krieg weiterhin tätig waren.
Ja, das ist richtig. Also man merkt das vor allem bei Unternehmen, auch in Deutschland übrigens, wo die Eigentümer auch im Exekutivbereich, also als CEOs tätig sind und wenn die eine Beziehung zur NS-Zeit haben, auch teilweise die Nachkommen erster Generation sind da sehr zurückhaltend, da ist es dann meistens die zweite Generation oder dann jüngere Manager, die einen ganz anderen Zugang haben zum Thema. In den 1950er, 1960er 1970er-Jahren sind Manager oder Eigentümer aus der NS-Zeit noch präsent und Verhinderer.
Sie haben die Energiewirtschaft angesprochen. Sie haben zum Verbund eine Studie gemacht?
Der Verbund ist auf mich zugekommen, wie …read more
Source:: Kurier.at – Wirtschaft