
Der Chef der Hörgeräteakustik-Kette über neue Tech-Konkurrenz aus den USA, Expansion in Serbien und Lärmgeplagte als wachsende Kundschaft.
Als der US-Tech-Konzern Apple im Herbst ankündigte, seine kabellosen Kopfhörer AirPods Pro2 mit einer Hörgerätefunktion auszustatten, sorgte dies für ein Beben in der Branche. Die Kurse europäischer Hörgeräte-Hersteller wie Sonova oder Amplifon knickten ein.
Wenn ein Ohrstöpsel mittels Software-Update in ein personalisiertes Hörgerät umgewandelt werden kann, wer wird sich dann noch herkömmliche Geräte kaufen? Die AirPods sind mit rund 250 Euro deutlich billiger als vollwertige, angepasste Hörgeräte, die mehrere Tausend Euro kosten können.
Neuroth/Kanizaj
Lukas Schniko führt das Unternehmen in vierter Generation
Apple kann der Markt weiter öffnen
Lukas Schinko, Chef des heimischen Hörgeräteakustik-Unternehmens Neuroth, sieht die neue Konkurrenz aus den USA gelassen. Ein wenig freut er sich sogar darüber: „Der Einstieg von Apple in den Hörgerätemarkt wird die Hemmschwelle zum Hörgerät senken und den Markt weiter öffnen, das kommt uns allen zugute“, sagt Schinko im Gespräch mit dem KURIER.
Hören ist komplex
Sorgen, dass der US-Riese seine Hörakustik-Studios überflüssig macht, hat er nicht. Hören sei sehr komplex, ein Standardgerät könne den Einstieg zwar erleichtern, jedoch die Qualität von maßgefertigten Geräten nicht erreichen. Neuroth kooperiert dabei mit vielen Herstellern.
Um schwindende Kundschaft muss sich Schinko ohnehin keine Sorgen machen. Bis 2030 werden allein in der EU 60 Millionen Menschen hochgradig schwerhörig sein, verweist er auf Marktprognosen und älter werdende Gesellschaft.
8 bis 9 Jahre bis Hilfe gesucht wird
Noch würden aber acht bis neun Jahre vergehen, bist eine Hörminderung auch behandelt wird. „Das ist immer noch zu lange.“ Im Schnitt kämen Kunden erst mit 69 Jahren ins Hörstudio. Dabei könne bei Aufrechterhaltung der Hörleistung Demenz verzögert werden.
Der Grazer Familienbetrieb mit 117-jähriger Tradition ist dank steigender Nachfrage und Expansion in der Schweiz und Südosteuropa auf Wachstumskurs. Im Vorjahr stieg der Umsatz gegenüber 2023 um 6 Prozent auf 177 Millionen Euro.
Gehörschutz boomt
Ein stark wachsendes Segment ist der Hörschutz gegen ein lärmendes Umfeld aller Art; egal ob zu Hause, am Arbeitsplatz, im Großraumbüro, Flugzeug oder im Zug. „Mit unserer Gehörschutzmarke earwear konnten wir ein Plus von 9 Prozent erzielen“, berichtet Schinko, der das Unternehmen in vierter Generation leitet. „Das Abschirmen von Lärm wird ein immer wichtigeres Thema, wir haben auch Spezialanwendungen für Musiker“.
Neuroth/Kanizaj
Lukas Schinko in der Produktion in Lebring
Die Neuroth-Gruppe beschäftigt aktuell 1.350 Mitarbeitende an 280 Standorten, davon 850 in Österreich. Mit der Übernahme der Schweizer Misenso kommen weitere 200 dazu. Man könnte noch mehr Filialen aufsperren, doch der Fachkräftemangel bremse die Expansion. Aktuell gibt es im Unternehmen 36 offene Stellen, es werden zehn Lehrlinge ausgebildet. Um mehr Bewerber – auch im zweiten Bildungsweg – zu finden, schuf Neuroth mit dem Hörberater ein eigenes, niederschwelliges Berufsfeld.
Produktion in Serbien
Geografisch will sich das Hörakustikunternehmen noch stärker in Südosteuropa, vor allem in Serbien und Bosnien engagieren. Das Wachstum in Serbien führte auch zur Entscheidung, bis Ende des Jahres in Belgrad einen zweiten Produktions- und Logistikstandort neben Lebring in der Steiermark zu errichten. Dort werden Anpassungen vorgenommen und Ohrpassstücke für Hörgeräte, sogenannte Otoplastiken, gefertigt. „Künftig werden unsere Märkte in Bosnien und Serbien von Belgrad aus beliefert“, erläutert Schinko. Begonnen wird …read more
Source:: Kurier.at – Wirtschaft