
Brüssel stürzt sich in den globalen Wettlauf um Rohstoffe, ohne sie gibt es keinen Umstieg auf grüne Technologien. Denn auch dabei will die EU unabhängiger werden
Größer kann Abhängigkeit gar nicht sein: Jedes Gramm Lithium, ohne das kein einziges E-Auto auch nur einen Meter fahren kann, muss in die EU importiert werden. Es wird außerhalb Europas abgebaut, vor allem in Chile und Australien. Und es wird auch außerhalb Europas weiter verarbeitet – vor allem in China.
Ähnlich sieht es bei Bor aus – 99 Prozent davon kommen aus der Türkei, 99 Prozent des Magnesiums wiederum aus China.
Spätestens seit der Corona-Pandemie, als Lieferketten zusammenbrachen und seit Russlands verhängnisvoller Gaspolitik wurde der EU schmerzhaft bewusst: Will Europas Industrie wettbewerbsfähig bleiben, muss es fatale Abhängigkeiten abschaffen, wo ein einziges Land für den gesamten Import in die EU sorgt. „Das ist kein stabiler Weg für unsere zukunftsorientierte Wirtschaft, wir müssen diversifizieren“, brachte es EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis am Donnerstag in Brüssel auf den Punkt.
Die Vorgabe: Künftig dürfen nicht mehr als 65 Prozent eines Rohstoffs für den europäischen Jahresverbrauch aus einem einzigen Land kommen. Das bedeutet: „Wir müssen neuen Partnerschaften aufbauen“, sagt Dombrovskis, etwa mit Kanada, Kasachstan, Namibia, Kongo, Australien etc.
„Null-Netto-Industrie“
Gleich zwei ineinandergreifende Gesetzesvorschläge legte die EU-Kommission gestern vor: Das Rohstoff- und das sogenannte „Netto-Null-Industrie-Gesetz“.
In beiden Texten kommt das Wort China nicht vor, doch beide haben dasselbe Ziel: Europas Wirtschaft mehr auf eigene Beine stellen – besonders im Bereich der grünen Zukunftstechnologien.
Wettbewerbsvorteil
Bis 2030 sollen, so sieht es der Plan vor, 40 Prozent der Produkte für Windenergie, Wärmepumpen, Solarenergie und grünen Wasserstoff in der EU erzeugt werden. Für diese Massenproduktion klimaneutraler Technologien sollen Milliardeninvestitionen locker gemacht werden.
Wie? Zum Teil mit einer – in der EU noch sehr umstrittenen – weiteren Lockerung der staatlichen Beihilfen. „Diejenigen, die die Technologien entwickeln, die das Fundament der Wirtschaft von morgen bilden, werden den größten Wettbewerbsvorteil haben“, sagt EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen.
Doch ohne Rohstoffe und Seltene Erden geht in der grünen Technologie nichts, dreht sich kein einziges Windrad. „Die EU wird sich nie mit Rohstoffen ausreichend selbst versorgen können“, heißt es in den Unterlagen der EU-Kommission. Und so stürzt sich Brüssel in den globalen Wettlauf um die dringend benötigten Rohstoffe der Zukunft.
Schnellere Verfahren
Die Ziele: Zumindest zehn Prozent der benötigten Rohstoffe will die EU bis 2030 selbst abbauen. Dafür aber müssen Genehmigungsverfahren – die bisher schon mal bis zu 20 Jahre dauern konnten – extrem beschleunigt werden. Zudem gibt es etwa beim möglichen Abbau von Lithium massive Umweltbedenken. Proteste und Einsprüche haben dazu geführt, dass bisher in der EU noch kein Lithium abgebaut wird. 15 Prozent der Rohstoffe und Seltenen Erden sollen zudem bis 2030 in der EU recycelt werden.
Auch der Bau von Raffinerien, in denen die Materialien veredelt werden, will die EU fördern. 40 Prozent des Bedarfs sollen so künftig in der EU verarbeitet werden. Bisher gibt es dafür in Europa kaum Kapazitäten.
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Source:: Kurier.at – Wirtschaft