Salcher für radikale Schul-Reform: Braucht es einen Eltern-Führerschein?

Politik

Andreas Salcher, Buchautor und langjähriger Kämpfer für ein besseres Bildungssystem fordert von der kommenden Regierung dringende Reformen ein.

Ab heute sind auch alle Schülerinnen und Schüler in den westlichen Bundesländern zurück in der Schule. Unser Bildungssystem kostet knapp 12 Milliarden Euro jährlich, doch stimmt die Leistung? Andreas Salcher, der sich seit Jahrzehnten für ein bessere Bildungssystem stark macht, bezweifelt das.  

KURIER: Die Regierung hat die vollen fünf Jahre regiert, was ist Ihre Bilanz der Bildungspolitik von Türkis-Grün?

Andreas Salcher: Das Interessante ist, dass viele Forderungen, die jetzt für die nächste Legislaturperiode von den Regierungsparteien erhoben werden, schon in beiden Regierungsprogrammen von Türkis-Blau und dann Türkis-Grün standen. Zum Beispiel bei der Elementarpädagogik, da werden jetzt wieder Milliarden versprochen. Gut, unter Bildungsminister Heinz Faßmann, der auch kein radikaler Reformer, aber zumindest ein sanfter Reformer war, ist zumindest die Digitalisierung gestartet und die Sommerschule eingeführt worden. Also Dinge, die wir weitergebracht haben. Und wir bleiben auch gut im berufsbildenden Schulsystem.

Und was war nicht so gut?

Bei den entscheidenden Dingen wie der verpflichtenden Lehrerfortbildung, einer anderen Art des Lehrerbildes, bei der Schulautonomie, vor allem einer zeitgemäßen Pädagogik um nur ein paar zu nennen, ist einfach nichts weitergegangen. Und nun wird wieder die Bildungspflicht statt der Schulpflicht gefordert, die stand aber schon vor sieben Jahren im Regierungsprogramm.

KURIER/Jeff Mangione

Andreas Salcher

Was ist mit einer Bildungspflicht gemeint?

Wir haben ein Riesenproblem, dass jedes fünfte fünfzehnjährige Kind nach neun Jahren Schule nicht sinnerfassend lesen kann und ohne grundlegende mathematische Kenntnisse quasi ins Leben geworfen wird. Das ist seit inzwischen 15 Jahren unverändert.

  ÖVP wirbt um Stimmen der Pensionisten

Wie kann das sein, nach neun Jahren in einer Schule?

Dieses Totalversagen ist inakzeptabel. Die Schule hat sicher viele gesellschaftliche Probleme wie Migration, bildungsfeindliche und bildungsferne Schichten geerbt, und das hat dramatisch zugenommen, wie in fast keinem anderen EU-Land.

Sieht man diese Probleme eigentlich schon in den großen Bildungsvergleichen wie dem PISA-Test?

Seit dem ersten PISA-Test im Jahr 20000 fallen wieder jedes Mal ein Stück hinunter, ich finde das ist das Dramatischste überhaupt. Denn wenn jeder fünfte 15-jährige nach neun Jahren Schule nicht sinnerfassend lesen kann, hat er am Arbeitsmarkt überhaupt keine Chance. Ich rede viel mit Lehrern von Mittelschulen, in Brennpunktschulen, die sagen: von meinen 25 Schülern, haben im besten Fall fünf eine Chance, eine weiterführende Schule zu besuchen oder einen Lehrplatz zu bekommen.

Beklagt wird dabei aber auch, dass vermehrt Kinder aus bildungsfernen und sogar bildungsfeindlichen Familien kommen, ist das so?

Von bildungsfeindlich sprechen wir, wenn etwa fundamentalistische Religionsauffassungen mit Bildungsferne zusammentreffen, wenn immer mehr Mädchen in ihren Bildungschancen unterdrückt werden. Dann gibt es Riesenprobleme, was Lehrer ja auch öffentlich immer stärker zurecht beklagen. Wenn klassenweise die Mädchen vom Schwimmen und Turnunterricht abgemeldet werden aus islamischer Religionsauffassung, kann sich der Staat das einfach nicht gefallen lassen. 

Es geht aber auch die Bildungsschere immer mehr auf, die einen schauen sich ganz genau an, welcher Kindergarten, welche Volksschule die bestmögliche Bildung leistet, das fehlt bei anderen völlig.

Durch den Familienzuzug sind tausende Kinder plötzlich in das Schulsystem gekommen, die offensichtlich aus bildungsfernen Schichten kommen. Wie löst man das?

Die Grundproblematik ist, dass so die schon bestehenden Probleme verschärft werden. Man …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

(Visited 1 times, 1 visits today)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.