Naturhistorisches Museum retourniert 846-teilige Fossilsammlung

Politik

Im April 1938 vermachte Georg Rosenberg dem Naturhistorischen Museum eine der größten Schenkungen jemals. Recherchen ergaben nun, dass er sich nur aus vermeintlich freien Stücken von der Sammlung trennte. Eine Spurensuche.

Im ersten Moment war Catherine Mayer alarmiert, als der Briefträger mit eingeschriebenem Brief an ihre Haustür in London klopfte. Ihr Mann war kurz zuvor verstorben. Sie hatte Sorge, dass die Nachricht ein neuerliches Gefühlschaos auslösen würde. Fast hätte sie ihn also gar nicht angenommen. 

Doch dann sah sie den Namen der Bundesrepublik Österreich, den Briefkopf der Israelitischen Kultusgemeinde und überflog die ersten Zeilen. Und so war ihr zweiter Gedanke: „Das muss ein Scherz sein.“ 

Leo Cackett

Denn in dem Brief wurde der britischen Autorin und Journalistin Catherine Mayer mitgeteilt, dass eine Sammlung des Naturhistorischen Museums, an sie und weitere rechtmäßige Erben zurückgegeben werde. Genauer gesagt: eine 846-Stück-starke Sammlung von Fossilien, die zu den größten Schenkungen gehört, die das Museum je erhalten hatte.

18.500 Objekte, 52.000 Bücher

Es war die Empfehlung des österreichischen Kunstrückgabebeirats, basierend auf den Recherchen der Kommission für Provenienzforschung. „Diese“, erläutert deren Leiterin Pia Schölnberger beim Gespräch in ihrem Wiener Büro, „arbeitet alle Erwerbungen in den staatlichen Sammlungen ab 1933 systematisch und proaktiv auf.“ 

Sie untersucht, ob Objekte durch die Nationalsozialisten verfolgungsbedingt in den Besitz des Staates gekommen sind. 15.800 Objekte und 52.000 Bücher sind seit 1998 zur Rückgabe an die Erben der früheren Eigentümer empfohlen worden. Dazu dürften bald 846 Fossilfunde hinzukommen. 

Bauer Anna-Maria

Obwohl der Beschluss dazu 2021 erfolgte, erreichte Catherine Mayer die Nachricht erst zwei Jahre später. Doch das ist gar nicht so ungewöhnlich. Denn um alle Erben ausfindig zu machen, müssen zunächst Archive durchforstet, etwaige Namensänderungen berücksichtigt und Stammbäume erstellt werden. 

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Im konkreten Fall wurde der Erbenforscher Mathias Lichtenwagner in US-amerikanischen und englischen Zeitungsarchiven fündig. Er konnte Catherine Mayer als Stiefgroßnichte von Georg Rosenberg ausmachen.

Geologie-Liebhaber

Georg Rosenberg war Buchhalter mit einer Leidenschaft für die Geologie. Er besuchte regelmäßig Vorlesungen des Naturhistorischen Museums, beteiligte sich an Exkursionen in den Alpen und veröffentlichte wissenschaftliche Artikel. Im April 1938 schenkte er seine gesamte Fossilsammlung aus dem ostalpinen Raum dem Naturhistorischen Museum. Sie wurde also nicht enteignet, Rosenberg übertrug sie dem Museum selbst. 

Nach dem Krieg kehrte er auch nach Wien zurück, vermachte dem Museum dann auch noch vereinzelte Fossilfunde. Und so war der Fall zunächst nicht eindeutig: War die Erwerbung der Sammlung doch nicht als bedenklich anzusehen?

Doch dann fielen Thomas Mayer, Provenienzforscher am Naturhistorischen Museum Wien, die Briefe in die Hände. 

NHM Wien

Jener Schriftverkehr zwischen Georg Rosenberg und dem Museum, der deutlich machte, dass Rosenberg zwar aus vermeintlich freien Stücken, aber nicht freiwillig von seinen Funden getrennt hatte. 

„Von einem persönlichen Besuche der Landesanstalt möchte ich aber nach wie vor absehen“, schrieb er im September 1938 in einem Brief an die Reichsstelle für Bodenforschung, „da ein Wiedersehen dieser geliebten Stätte an der ich zwanzig Jahre lang die Ehre hatte, meiner Studien pflegen zu dürfen, nach all dem Furchtbaren, das ich in den letzten Monaten erlebte, für mich seelisch kaum erträglich wäre.“ 

Überstürzte Flucht

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Source:: Kurier.at – Politik

      

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