Iranischer Regisseur Koohestani: „Wenn man ständig über die Fatwa spricht, wird man das Produkt der Fatwa“

Kultur

Amir Reza Koohestani inszeniert in St. Pölten Schillers Maria Stuart, zu sehen ab Freitag. Vorab sprach er mit dem KURIER über Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Kulturschaffens im Iran, über Feminismus und darüber, was man von Salman Rushdie lernen kann.

Wo andere klotzen, wird hier gekleckert. Im Burgtheater wird Hamlet gerade von fünf Darstellern verkörpert, im Landestheater Niederösterreich sind Schillers Maria Stuart, die katholische Königin von Schottland, und ihre protestantische Cousine Elisabeth, Königin von England, eine Person.

Ausgedacht hat sich das die iranische Dramatikerin Mahin Sadri. Ihre Schiller-Bearbeitung ist ab Freitag als Koproduktion des Landestheaters Niederösterreich mit der Tangente St. Pölten zu sehen. Regie führt Amir Reza Koohestani. Sie  soll, erzählt der 1978 im iranischen Schiraz geborene Theatermacher im Gespräch mit dem KURIER, weniger die Religionskonflikte in den Häusern Tudor und Stuart im England des 16. Jahrhunderts als vielmehr beide Seiten der iranischen Proteste darstellen, die durch den Mord an Mahsa Amini 2022 ausgelöst und zu einem Freiheitskampf der Menschen im Iran wurden. 

Elisabeth I. und Maria Stuart. Sie gelten als Rivalinnen bis in den Tod. Historisch belegt ist keine Begegnung der beiden. Schiller hat sie ihnen angedichtet. Und bei Schiller, aber auch in anderen historischen Bearbeitungen des Stoffs, etwa bei Stefan Zweig, den Koohestani ebenfalls gelesen hat, erkennt man große Nähe zwischen den Frauen. Sie seien gewissermaßen zwei Seiten einer Medaille – ebenso wie die freiheitssuchenden Frauen im Iran: Sie seien so eingesperrt wie ihre regimetreuen Widersacherinnen, die Sittenwächterinnen.  

Und Schiller? Bleibt von ihm und seinem Königinnendrama auch noch was übrig? Koohestani lacht. Ja, natürlich und zwar mehr als ein paar Zitate. Eine Parallele zu den aktuellen iranischen Protesten, die sich tatsächlich aufdrängt, ist gewiss, dass kämpferische Frauen, wie es eben auch Maria und Elisabeth waren, immer schon als Bedrohung für die Mächtigen angesehen wurden. 

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Maria Stuart, ab Freitag im Landestheater Niederösterreich 

Koohestahini spricht von „Systemen“ und von „Genderbegriffen“. Ob er Feminist sei? „Auf jeden Fall.“ Auf dem Weg zur Gleichberechtigung sei noch viel zu tun, sagt er. Wie es ihm mit den vielen verschleierten Frauen in Österreich und Deutschland geht, angesichts der Tatsache, dass in seiner Heimat Iran Frauen dafür sterben, unverschleiert auf die Straße zu gegen? „Ich bin für eine Säkularisierung aller Gesellschaften, aber nicht für Kleiderordungen.“ 
Koohestahini gehört zu den bedeutendsten iranischen Theatermachern seiner Generation. Seiner Privilegien, wie er es nennt, ist er sich bewusst. Er stammt aus einer Familie, in der man sich das Theatermachen leisten konnte, nicht in erster Linie auf Broterwerb angewiesen war. Koohestahini experimentierte in seiner Jugend mit Schauspiel, machte  Erfahrungen als Performancekünstler und gründete 2001 die Mehr Theatre Group in Teheran, deren erstes Stück „Dance on Glasses“ Koohestani 2001 internationale Bekanntheit brachte. 

Keine Intimität

Nach einem zweijährigen Studienaufenthalt in Manchester kehrte er nach Teheran zurück, wo er seine Stücke nach wie vor zeigt. „Es kommt weniger darauf an, ob man es macht, sondern wie man es macht.“ Ob man frei arbeiten kann? „Natürlich sind wir weit davon entfernt.“ Zensur gibt es selbstverständlich. Sex-Szenen sind, wie überhaupt jede Form von Intimität, streng verboten. Und eigentlich müssten Frauen auch auf der Bühne stets …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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