Trenkler auf Kur: Der Abschied vom Zauberberg

Kultur

Klaus Maria Brandauer bündelte in Ischl seine Kräfte – für eine Warnung: Er las aus dem Buch „Die Tagesordnung“ von Éric Vuillard

Die Zeit in Strobl am Wolfgangsee ist zu Ende. Mitunter fühlte sich Ihr Tratschpartner an Hans Castorp in Thomas Manns „Zauberberg“ erinnert. Denn die Tagesabläufe ähnelten sich – vor allem in der letzten Woche, in der es andauernd schüttete: „Etwas Bewegung im Freien sodann, hierauf abermals Ruhe im Stuhl, um sieben das Abendessen (…), danach ein oder der andere Blick in den stereoskopischen Guckkasten …“

Auch Ihr Tratschpartner konnte feststellen: „Große Zeiträume schrumpfen bei ununterbrochener Gleichförmigkeit auf eine das Herz zu Tode erschreckende Weise zusammen; wenn ein Tag wie alle ist, so sind sie alle wie einer; und bei vollkommener Einförmigkeit würde das längste Leben als ganz kurz erlebt werden und unversehens verflogen sein.“

Die drei Wochen also sind verflogen. Das Zeitmaß waren aber nicht die sieben Minuten des Fiebermessens, sondern die acht auf den Ausdauertrainingsgeräten: „Die Zeit schlich, die Frist schien endlos. Erst zweiundeinehalbe Minute waren verstrichen, als er nach den Zeigern sah, schon besorgt, er könnte den Augenblick verpassen.“

So viele Bücher hatte er mitgenommen – und so wenige las er, abgelenkt vom Kulturhauptstadtprogramm, im Endeffekt. Natürlich: Der bereits erwähnte Reiseführer „Im Schatten von Hitlers ,Alpenfestung‘“ war ihm ein treuer Begleiter durchs Salzkammergut, etwa beim Besuch des KZ-Gedenkstollens in Ebensee samt der impressiven Installation von Chiharu Shiota (bis 30. 9.). Denn alle Orte, die in der NS-Zeit von Bedeutung waren (für das Regime wie für den Widerstand), werden genau erklärt.

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Thomas Trenkler

Ebensee: der KZ-Gedenkstollen mit der Installation von Chiharu Shiota

Ihr Tratschpartner las auch den flott geschriebenen Roman „Mozart. Die Liebe ist’s allein“ (Edition Platin) über die Zusammenarbeit des Komponisten mit Laurenzo Da Ponte von Matthias Euler-Rolle. Als ideale Ergänzung zum ausufernden „Zauberberg“ erwies sich die Erzählung „Der Uhrmacher und das Flüstern der Zeit“ (Braumüller) von Michael Hausenblas: „Wie viel Sand wird noch durch deine Lebensuhr rinnen? Bedenke, diese lässt sich nicht umdrehen!“

Was man aber bei der „Gesundheitsvorsorge aktiv“ lernt: Es gibt Möglichkeiten, die Sandkörner nicht so schnell nach unten rieseln zu lassen. Auf diesen hoffnungsfrohen Gedanken ist Hans Held, der Antiheld der Erzählung, leider nicht gekommen.

Zudem erhielt Ihr Tratschpartner eine Kaufempfehlung – von Klaus Maria Brandauer. Denn er las in der Stadtpfarrkirche aus „Die Tagesordnung“. Darin erzählt Éric Vuillard über entscheidende Momente in der Geschichte des Dritten Reichs bis zum Einmarsch in Österreich.

Dem Schauspieler war es enorm wichtig, dass die Veranstaltung noch vor der Nationalratswahl (am 29. 9.) stattfand. Denn Vuillard beginnt mit dem 20. Februar 1933: Bei einem Treffen mit Hermann Göring und Adolf Hitler erklärten sich 24 Industriebosse (Opel, Krupp, BASF, Bayer, Siemens) bereit, den Wahlkampf der bankrotten NSDAP mitzufinanzieren. Keine drei Wochen später waren die Nazis mit Abstand die stimmenstärkste Partei …

Beeindruckt auch von den Zwischenspielen – Magdalena Hasibeder ließ die Orgel zu einem Orkan anschwellen – ging Ihr Tratschpartner danach durch Ischl. Und ihm fiel ein Plakat auf: „Der Siriuskogl wird zum Zauberberg.“ Kann das sein? Die Enttäuschung folgte der Recherche: Das Kinderfest am 21. 9. ab 14 Uhr …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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