Gogols „Die Nase“ im Hamakom: Freiheit gibt es nur im Traum

Kultur

Faszinierendes, absurdes Theater: Nikolaj Gogols Novelle in der Bearbeitung von Nicolas Charaux im Wiener Nestroyhof

Von: Susanne Zobl

Der Barbier Iwan Jakowlewitsch entdeckt im frischen Brot eine Nase. Er erkennt sie sofort. Sie gehört einem seiner bedeutendsten Kunden, dem Kollegienassessor Kowaljow. Der irritierte Mann versucht mit allen Mitteln, sich dieser zu entledigen. Als Kowaljow indessen deren Verlust gewahr wird, begibt er sich sofort auf die Suche nach ihr. Denn er weiß, ohne sie ist er nichts.

Nikolaj Gogol inspirierte mit seiner Novelle „Die Nase“ aus dem Jahr 1836 Dmitry Schostakowitsch zu einer verstörenden Oper. Der französische Regisseur Nicolas Charaux fertigte mit Barbara Noth daraus eine glänzende Bearbeitung für das Theater Hamakom. In knappen Szenen bringt das famose Ensemble (Okan Cömert, Jakob Immervoll, Lena Kalisch) den surrealen Text zum Glänzen. Die drei agieren wie bei einem Staffellauf in einem mitreißenden Rhythmus. Sixtus Preiss liefert mit einem elektronischen Hackbrett und Schlagzeug einen packenden Begleitsound.

Eine Box (Bühne: Ali Frühstück), hinter deren Rollladen ein grellgrünes Zimmer sichtbar wird, reicht, um je nach Bedarf in eine Kathedrale, eine Redaktion und in Kowaljows Wohnung zu führen. Hinter einer stählernen Aufzugstür im Hintergrund wird der Ausblick auf eine heile Welt gegeben, den Strand von Riga, wo Nasen frei herumlaufen und ihr eigenes Leben führen. Dorthin will jene von Kowaljow. Diese wird von Immervoll in einem überdimensionalen Pappkostüm mit Frack eindrücklich verkörpert.

In 80 Minuten wird ein tiefer Einblick in die russische Seele gewährt, in die Furcht vor Obrigkeiten, die Sucht nach Bedeutung und die Sehnsucht nach Selbstbestimmung. Wenn die Nase am Ende wieder in der ursprünglichen Größe an jenen Ort zurückgekehrt ist, der ihr bestimmt ist, wird klar: Freiheit gibt es nur im Traum.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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