Tannhäuser, ein intensiv leidender, teils tobender Schmerzensmann

Kultur

Vom Publikum umjubelte Eröffnungspremiere von Richard Wagners „Tannhäuser“ in der Sichtweise von Evgeny Titov im Grazer Opernhaus

Von: Helmut Christian Mayer

Der Anfang verheißt nichts Gutes: Ein tiefes Loch, offensichtlich die Venusgrotte, klafft auf der Bühne inmitten einer düsteren Halle (Christian Schmidt). Es ist zugemüllt mit einem völlig ramponierten Klavier, unzähligen, mit Mist gefüllten Plastiksäcken, die der verwahrloste Titelheld mit langen, wirren Haaren wütend herumschleudert und denen er Fußtritte verpasst. Er selbst schläft wie ein Sandler auf einer schäbigen Matratze. Neonröhren verströmen ein fahles Licht. Eine lange Metallstiege führt ins Freie. 

Eine Verwandlung findet allerdings nicht statt. Alles im ersten Akt spielt in dieser Grube: So beginnt Richard Wagners „Tannhäuser“ als Eröffnungspremiere am Grazer Opernhaus in der Sichtweise von Evgeny Titov, in Kasachstan geboren, einem hochgehandelten Regisseur, der international Karriere macht. 

Und siehe da, nach all dieser Hässlichkeit ist die Grotte im zweiten Akt aufgeräumt, die im Hintergrund befindliche Halle strahlt in voller Ästhetik, auch die heutigen Abendroben (Esther Bialas) sind jetzt voller Eleganz. Der dritte Akt versinkt allerdings wieder in Düsternis. Ziemlich konventionell ist die Personenführung geworden und die Geschichte wird verständlich erzählt.

Sängerisch kann man sich über teils exquisite Leistungen freuen: Allen voran singt die aus Südafrika stammende Französin Erica Eloff, Ensemblemitglied des Linzer Landestheaters, eine fassettenreiche Elisabeth mit feinsten, ungemein berührenden Tönen, aber auch jubelndem Ausdruck. Vor allem ihr Gebet im dritten Akt wird zum Ereignis. 

Nikita Ivasechko ist ein edler, schön- und warmstimmiger Wolfram mit großer Innigkeit. Mit wunderbaren Phrasierungen und großer Wärme hört man die Venus der Mareike Jankowski im hautengen, weißen Glitzerkleid, die später auch zweifach gedoubelt wird. Wilfried Zelinka hört man als Landgrafen mit noblem Timbre. Diese drei und auch die kleineren, adäquat besetzten Partien sind Ensemblemitglieder des Grazer Opernhauses. 

  Punktesammeln auf dem „Moralkonto“

Und Tannhäuser? Samuel Sakker spielt ihn als intensiv leidenden, teils tobenden Schmerzensmann. Der australische Tenor singt ihn mit viel Tremolo und (außer einigen gelungenen Spitzentönen) angestrengt, mit fast gequälten, rauen und sehr kehligen Tönen. Mit exemplarischer Ausgewogenheit singen hingegen der hauseigene Chor, verstärkt durch den Philharmonia Chor Wien (Einstudierung: Johannes Köhler), die zum Finale auch eindrucksvoll mächtig von der Galerie zu hören sind.

In einer Dresdner/Pariser Mischfassung wird vom Grazer Philharmonischen Orchester unter dem umsichtig dirigierenden Vassilis Christopoulos mit flimmernden, sinnlich erregten, aber auch weihevollen Klängen und ausgewogener Balance musiziert. Nur manchmal hätte man sich etwas aufregendere Töne gewünscht.

Großer Jubel!

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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