Krisenjournalistin Petra Ramsauer hat über 25 Jahre lang aus dem Nahen Osten berichtet. Ab wann ein Konflikt für sie eskaliert, welche Bilder sie nicht mehr loslassen und was sie in Zukunft vorhat.
„Ich bin ein ängstlicher Mensch“, sagt die langjährige Reporterin Petra Ramsauer. Erzählt sie von ihren zahlreichen Reisen in Konfliktgebiete des Nahen Ostens, in Länder wie Afghanistan, Syrien, Libyen oder dem Irak, ist das erstmal schwer zu glauben. Was sie damit sagen will: Sie ist sehr vorsichtig gewesen.
„Ich habe genaue Risikoanalysen gemacht“, so die gebürtige Oberösterreicherin. Brenzlig sei es dennoch das eine oder andere Mal geworden: „Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man beschossen wird.“ Und viele Gefahren, die sie gar nicht mitbekommen habe, hätten wahrscheinlich in der Luft gelauert.
Privat
Petra Ramsauer bei einer Demonstration in Aleppo, Syrien
Seit 1998 berichtet Ramsauer aus der Region, unter anderem für die NZZ am Sonntag, News und Datum, früher schrieb sie auch für den KURIER. Daneben hat sie acht Bücher verfasst, ihr neuestes, „Nahost verstehen“, ist Anfang Oktober erschienen.
Diese 25 Jahre spüre sie auch körperlich, sagt sie – wegen der schweren Schutzkleidung, aber auch der Krankheiten, unter anderem Cholera. Langsam, aber doch, macht sie Schluss mit dem Journalismus: Ramsauer ist jetzt angehende Psychotherapeutin. Wenn sie fertig ist, will sie kaum noch schreiben.
KURIER: Frau Ramsauer, Sie waren als Krisenreporterin viele Male in Nahost-Konflikt- und Kriegsgebieten. Was hat das mit Ihnen gemacht?
Petra Ramsauer: Ich schätze die Lebensumstände in Österreich deutlich mehr. Das reicht vom sauberen Krankenhaus bis zur Sicherheit, mit der ich mich hier bewege. Ich kann hier einfach in den Supermarkt gehen und muss nicht überlegen, was ich essen kann. Auch meinen EU-Pass empfinde ich als großes Glück, wenn ich daran denke, dass die Menschen in den Konfliktgebieten nicht so einfach rauskönnen.
Wenn ich aktuelle Debatten über Migration, Flucht oder Asylzahl-Obergrenzen höre, verstehe ich das. Gleichzeitig ist das extreme Wohlstands- und Sicherheitsgefälle auf dieser Welt für mich schwer verdaulich.
Gibt es Bilder, die Sie bis heute nicht mehr loslassen?
Eine der schwierigsten Reportagen war eine aus dem Irak, für die ich während des Kriegs 2017 in der vom Islamischen Staat besetzten Stadt Mossul war. Es war kalt und matschig, alle 60 Sekunden haben Raketen eingeschlagen. Die Menschen sind in alle Richtungen geflohen, während Scharfschützen geschossen haben.
Dabei hat sich die Front ständig verändert, sodass die Leute dachten, sie würden jetzt befreit, was aber nicht so war. Da ist bei mir ein Bild hängengeblieben von wahnsinnig hungrigen und frierenden Kindern in Kleidchen und Sandalen – neben aufgeblähten Leichen, die nicht weggeräumt wurden. Das war absolut apokalyptisch und ich frage mich manchmal, was aus diesen Kindern geworden ist.
Sie sind angehende Psychotherapeutin. Welche Rolle spielen Traumata in den Konflikten in Nahost?
Mentale Gesundheit ist der Grundstock einer jeden Friedenslösung. Als ich ein Buch über den IS und Radikalisierung geschrieben habe, ist mir aufgefallen: Oft schaffen es dschihadistische Gruppen in den jeweiligen Herkunftsländern noch am ehesten, einen Lebenssinn zu entwerfen. Da braucht es Konkurrenz von anderen, westlichen Werten. Ich glaube, man sollte sich jeden Konflikt auch durch …read more
Source:: Kurier.at – Politik