Der Industrielle zu „Überbonifikationsinflation“, brennenden Problemen, 32-Stunden-Woche, Wahlheimat Aussee, und nicht nachhaltigen „Wunderkerzen“ der Kulturhauptstadtregion.
Ein nachdenkliches Gespräch im Büro des Industriellen mit Blick auf Stephansdom und Oper.
KURIER: Es finden gerade Koalitionsverhandlungen statt. Was wünschen Sie sich von der neuen Regierung?
Hannes Androsch: Die Koalitionsverhandlungen haben ja noch gar nicht begonnen.
De facto schon, oder?
Offiziell nicht, obwohl der Hut brennt, weil sich über die letzten Jahre und Jahrzehnte riesige Probleme aufgetürmt haben. Wir sind in vielen Bereichen aus der Furche geraten. Die Menschen erwarten Antworten auf die brennenden Fragen unserer Zeit.
Was sind die brennendsten Probleme?
An erster Stelle ist es das Desaster der Staatsfinanzen.
Jetzt gab es natürlich eine Pandemie und einen Krieg samt Energiepreisexplosion. War es nicht auch wichtig, die Teuerung abzufedern?
Die Teuerung wurde dadurch erst produziert. Wenn Sie eine Angebotslücke haben, etwa im Energiebereich, und Sie heizen die Nachfrage an, so ist das wie Öl ins Feuer gießen: Das, was Sie bekämpfen, wird erst richtig befeuert.
Also zu hohe Lohnerhöhungen?
Nein, die waren dann erst die Folge dieser eigengemachten Teuerung – mit dem Ergebnis, dass Österreich im ohnehin zurückfallenden Europa das Schlusslicht ist. Wir hatten die höchste Inflation und nicht nur kein Wachstum, sondern Schrumpfung und Wohlstandsverlust. Die Stimmung im Land ist noch besser als die Lage, und die Lage verschlechtert sich stündlich.
kurier/Martin Stachl
Die Industriellenvereinigung warnt, dass Arbeitsplätze nicht nur außerhalb Österreichs, sondern außerhalb ganz Europas entstehen. Teilen Sie diese Ansicht?
Ja, das ist eine Folge des Verlusts der Wettbewerbsfähigkeit: zu hohe Arbeitskosten, zu geringe Nettolöhne, zu hohe Energiekosten. Schauen Sie sich an, wie der Butter- oder der Brotpreis innerhalb eines Jahres gestiegen ist. Nächstes Jahr wird ein Durchschnittshaushalt 400 bis 450 Euro teurere Energiekosten haben.
Deswegen wurden ja Klima- und Anti-Teuerungsbonus verteilt.
Da wurde mit der Gießkanne das Geld beim Fenster hinausgeschmissen. Wir hatten im Schnitt das Vierfache an solchen Bonifikationen als anderswo in Europa. Das hat eine Überbonifikationsinflation erzeugt.
Sie haben vor zwei Jahren gesagt, dass man in Österreich den Gürtel enger schnallen und sparen soll. Nach wie vor dieser Meinung?
Ja. Nicht nur der Staat hat über seine Verhältnisse gelebt, auch der Einzelne. Wenn man sich überlegt, dass für Halloween 75 Millionen Euro ausgegeben werden und die Kosten für Haustiere neun Milliarden ausmachen …
….und die Reiselust größer denn je ist …
Es sei jedem vergönnt: Aber man kann nur verbrauchen und verteilen, was man zuerst erwirtschaftet hat. Ansonsten macht man Schulden, und die Rechnung kommt dann hintennach.
kurier/Martin Stachl
Sie haben in einem Krone-Interview gesagt: „Es brennt, aber niemand ist bereit zu löschen.“ Damit meinen Sie alle Parteien?
Ja, natürlich. Wir gehen ins nächste Jahr vorerst mit einem Budgetprovisorium. Da ist sicher nicht der Weg, wie man zu Lösungen kommt in den Kindergärten, in den Schulen, im Gesundheitsbereich, bei der illegalen Migration in unser Sozialsystem. Es gab eine Krankenkassenreform, die eine Milliarde für die Patienten hätte bringen sollen und nun soll – im Gegenteil – der Steuerzahler noch eine Milliarde dazulegen. Und so geht es dahin. Wir werden überrollt von Transitwellen. Wir sind in der inneren, wie in der äußeren Sicherheit bedroht. Wenn wir „Neutralität“ rufen, glauben wir, dass das schon …read more
Source:: Kurier.at – Politik