Warum weiblicher Schmerz weniger ernst genommen wird

Kultur

Autorin Eva Biringer über einen unterschätzten, übergangenen und abgewerteten Schmerz. Nämlich jenen der Frauen.

Die Verschreibung von Psychopharmaka an Frauen ist ein wichtiger inhaltlicher Faktor in Eva Biringers Aufarbeitung „Un-versehrt“, die von weiblichem Schmerz handelt. Fast jede zweite Frau, die mit Schmerzen zum Arzt kommt, habe schon einmal gesagt bekommen, sie bilde sich diese nur ein. Frauen, so schreibt Biringer, haben diffuse Beschwerden und anstatt genauer Untersuchungen bekommen sie eben Psychopharmaka verschrieben. Und das sehr viel häufiger als Männer. Ihr Schmerz werde nicht ausreichend ernst genommen. 

Möchten Sie zu Beginn etwas über das Cover sagen?

Eva Biringer: Das stammt von der Berliner Fotografin Nora Blum. Es ist im Rahmen eines Modeshootings entstanden. Es zeigt eine Frau, die ein Ei in ihrer Hand zerdrückt. Und ich fand es sofort toll als Bild, weil es einerseits eine Zerbrechlichkeit ausdrückt, die sich dann übertragen lässt auf die Frauen. Das Ei steht andererseits für Fortpflanzung und Fruchtbarkeit. Die Laufmasche in der Strumpfhose deutet auf etwas hin, das kaputt gegangen ist. 

Harper Collins/Blum

Was ist der Gender Pain Gap, der in Ihrem Buch thematisiert wird?

Der Gender Pain Gap besagt, dass weiblicher Schmerz weniger ernst genommen wird als männlicher. Das heißt, wenn eine Frau mit gleichen Symptomen zum Arzt geht, dann bekommt sie eher Psychopharmaka verschrieben und er eher Schmerzmittel. Das ist schon mal allein paradox genug. Hinzu kommt aber, dass Frauen mehr Schmerzmittel einnehmen, also vor allem frei verkäufliche und auch von klein an rasch herangeführt werden an Schmerzmittel – zum Beispiel bei der Periode. Ja, dann nimmt man halt Ibuprofen. Was dazu führt, dass sie auch als Erwachsene mehr davon einnehmen als Männer. Und gleichzeitig, wenn sie sie wirklich brauchen, werden Schmerzmittel den Frauen aber weniger häufig verschrieben als Männern. 

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Frauen bekommen also eher Beruhigungsmittel, etwas für die Nerven.  

Genau. Weil, auch das ist der Gender Pain Gap: Frauen werden generell als wehleidig empfunden. Der Schmerz von Frauen wird im Allgemeinen weniger ernst genommen. Dann heißt es oft, sie übertreiben ganz gerne und da lebt auch immer noch dieser tradierte Hysterie-Begriff in den Köpfen fort. Wohingegen Männer eher als hart im Nehmen gelten, sie würden ihren Schmerz eigentlich nicht zeigen. Das heißt, wenn sie ihn zeigen, dann muss er wirklich stark sein. Daher bekommen sie schneller Schmerzmittel. 

Sie kritisieren den Forschungsstand in Ihrem Buch. 

Ja, denn Medikamente werden an Männern und Frauen nicht gleichwertig getestet. Was dazu führt, dass Schmerzmittel teilweise ganz falsch dosiert werden, weil die körperlichen Reaktionen ganz anders sind. Diese Unterschiede sind aber nicht ausreichend erfasst. Das liegt wohl daran, dass es viel aufwendiger ist, Studien an Männern und Frauen durchzuführen. Frauen reagieren aber je nach Zyklusphase ganz anders. Das heißt, eine Frau in der Menopause reagiert anders auf Medikamente als eine Frau in den reproduktiven Jahren. Eine, die ihren Eisprung hat, reagiert wahrscheinlich wiederum anders als eine, die gerade ihre Periode hat. Also es gibt sehr viele Faktoren, die einfach nicht berücksichtigt werden. 

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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