Israels Ministerpräsident steht massiv unter Druck. Ex-Verteidigungsminister Yoav Gallant, den Netanjahu am Dienstag entlassen hatte, war ihm nicht der einzige Dorn im Auge.
Im Windschatten der US-Wahlen feuerte Israels Premier Benjamin Netanjahu in der Nacht zum Mittwoch seinen Verteidigungsminister Yoav Gallant – und damit seinen stärksten politischen Widersacher im Kabinett. Im März 2023 war ein erster Rauswurf des unbotmäßigen Parteifreundes an Massenprotesten im ganzen Land gescheitert.
Auch vergangene Nacht kam es wieder zu heftigen und landesweiten Kundgebungen. Doch dürfte ihr Druck auf den Premier diesmal nicht genügen. Geht es doch nicht um politische Streitigkeiten, sondern um den weiteren Bestand der Regierung. Und da kennt Netanjahu keine Kompromisse.
Gallant verwies nach seiner Entlassung auf drei grundsätzliche Streitpunkte:
Erstens: Seine Weigerung, ein neues Rekrutierungsgesetz zu unterstützen. Es sollte mitten im Krieg Zigtausende orthodoxe Schriftgelehrte von der Wehrpflicht befreien.
Zweitens: Gallants Befürwortung eines Abkommens, das mit „gerade noch erträglichen Zugeständnissen“ die Befreiung der verbliebenen 101 israelischen Geiseln im Gewahrsam der militanten Hamas-Miliz im Gazastreifen zum Ziel hat.
Drittens: Seine Forderung nach einem staatlichen Untersuchungsausschuss zum politischen und militärischen Versagen Israels vor dem Hamas-Massaker am 7. Oktober 2023. Alle drei Punkte gefährden die Einheit der Regierungskoalition und somit die weitere Amtszeit des Premiers. Der begründete den Rauswurf mit seinem „wachsendem Mangel an Vertrauen zum Verteidigungsminister in Kriegszeiten“. Gallant habe sich erfolgreichen Beschlüssen in der Kriegsführung mehrfach widersetzt.
Experten sehen dies anders: So habe Gallant schon früh im Krieg massivere Schritte gegen die schiitische Hisbollah-Miliz im Südlibanon gefordert. Der Premier akzeptierte sie erst später. Genauso wie Armee und befürwortet Gallant einen pragmatischeren Ansatz und ein Abkommen mit Geiselaustausch und Kriegsende.
REUTERS/Nir Elias
Yoav Gallant salutierte nach seiner Entlassung ein letztes Mal vor Pressevertretern in Tel Aviv.
Netanjahu hingegen beharrt auf nebulöse Kriegsziele wie die „völlige Zerschlagung der Hamas“ und die „gesicherte Rückkehr aller evakuierten Bürger im Süden wie im Norden“. Letztlich dienten die aktuellen Offensiven dazu, ein Kriegsende hinauszuzögern – würde doch eine Kampfeinstellung den Bestand der Regierung und die Amtszeit des Premiers gefährden.
Armeechefs auf der Abschussliste?
Die Medien melden in Berufung auf Mitarbeiter Netanjahus: Auch die Chefs der Armee und Geheimdienste stünden auf der Abschussliste. Netanjahu sprach von einer als „schmutzigen Lügenkampagne“.
Gallants Nachfolger Israel Katz bedankte sich bei Netanjahu für seine Ernennung. Auch er wolle Israels Sicherheitskräfte „zum Sieg an allen Fronten führen“. Nachfolger von Katz im Außenministerium wird Gideon Sa’ar, früher ein scharfer Kritiker Netanjahus. Nach dem ersten Rauswurf-Versuch 2023 sah Sa’ar Gallant noch als „einzige vernunftbegabte Person im Kabinett“.
Doch nicht nur der Krieg bringt Netanjahu Probleme. Auch alte und immer neue Skandale bedrohen seine Stellung. Im Dezember muss Netanjahu als Zeuge im gegen ihn laufenden Korruptionsprozess aussagen.
Schon ermittelt die Polizei wegen neuer Vorwürfe: So sollen Netanjahus Mitarbeiter geheime Papiere an die Auslandspresse verraten haben, um Verhandlungen um eine Geiselbefreiung zu behindern. Auch sollen sie versucht haben, kurz nach Kriegsbeginn Kabinettsprotokolle nachträglich zugunsten des Premiers „auszubessern“.
In diesen Tagen kommt es zu neuen Anläufen, Israels Justiz zu „reformieren“. Wie schon 2023 durch Versuche, Staatsanwaltschaft und das Oberste Gericht weitgehend zu entmachten. Die Zeitung Yedioth schrieb am Mittwoch: „Bürger Israels, seit heute Morgen leben sie in …read more
Source:: Kurier.at – Politik