Clemens Maria Schreiner seziert in seinem neuen Programm „Fehlerfrei“ den Selbstoptimierungswahn in den sozialen Medien.
Ja, die Selbstoptimierung ist ein Hund – wenn Perfektion in dieser Welt unerreichbar ist.
Ein mit flinkem philosophischem Geist ausgestatteter Kabarettist wie Christoph Maria Schreiner weiß das natürlich – und deshalb kann er sagen: „Ich steh’ zu all meinen Fehlern – ich mach’ nur keine.“ In seinem zehnten Solo-Programm „Fehlerfrei“ sucht der 35-Jährige, bekannt auch aus der ORF-Show „Fakt oder Fake“, nach der Ideallinie des Lebens. Das ist einerseits sportlich gemeint. Es sage ja auch kein Hürdenläufer über seine Herangehensweise: „Danke Hürde, dass ich an dir wachsen darf.“
Geschickt zerlegt Schreiner im Kabarett Niedermair allerlei lieb gewonnene Sentenzen. Etwa so: „Aus Fehlern wird man klug – wenn man vorher deppert genug war.“
Doch als wer sagt Schreiner das alles? Einerseits als Jungvater – Schreiner wurde selbst 2021 Vater einer Tochter. Doch er verfremdet seine Person zu einem Bühnen-Ich: Als von sich selbst allzu überzeugter, penetranter Influencer, der freilich an den eigenen Ansprüchen scheitern muss.
ERNESTO GELLES
Schreiner als Influencer mit Datenbrille auf dem Kopf
Als Vater versucht er, dem Kind eine Fehlerkultur zu vermitteln. Weil: „Fehler sind wie Füße – wirklich vorwärts bringen dich nur deine eigenen.“ Man könne Kinder ja nicht in Watte packen – das trockne die Haut extrem aus, besser sei Luftpolsterfolie mit ausreichender Luftzufuhr.
Um eigene Fehler zu vermeiden, liest er Kinderbücher („Briefe von Felix“) vorher Probe – aus Erwachsenensicht. Gänzlich schräg wird es, als der Influencer seine KI-Datenbrille aufsetzt und die Eltern, die zum Kindergeburtstag laden, einem Scan unterzieht. Weil er den Suchfilter auf „Drama“ eingestellt hat, wird daraus eine wilde Kindergartenverschwörung. Es ist alles eine Frage der Perspektive.
Schreiner hat diesmal zwar nicht so eine klare Bühnensituation geschaffen wie zuletzt bei „Krisenfest“ – aber die geschickt verdrehten Betrachtungen unterhalten in gewohnter Qualität. Und sei es mit der Weisheit, dass es nicht jeder im Leben auf Level 100 schaffen kann.
Source:: Kurier.at – Kultur