In Thüringen soll Wagenknechts Bündnis erstmals mitregieren. Ohne den Sanktus der Parteigründerin ging das aber nicht. Die kämpft nun vor den Neuwahlen mit sinkenden Umfragewerten.
Im Hintergrund die Kulisse von Erfurt, davor die Landesspitzen von CDU, SPD und BSW. Formell lächelnd, die Hände in denselben Posen verschränkt, die fast idente Brille auf der Nase. Mehr Einigkeit könnte ein Foto kaum zeigen.
CDU, SPD und BSW haben sich in Thüringen auf den Entwurf eines Koalitionsvertrags geeinigt, wie am Dienstagabend durchgesickert war. Fast drei Monate nach der Landtagswahl könnte das knapp zwei Millionen Einwohner Bundesland eine neue Landesregierung bekommen – die erste in der ganzen Bundesrepublik mit einer Beteiligung des sozialpolitisch linken und gesellschaftspolitisch konservativen Bündnisses der Ex-Linken Sahra Wagenknecht. Obwohl sich die Frage stellt, ob das dort noch Wagenknechts Bündnis ist.
Zwischenrufe aus Berlin
Der Landesverband des BSW in Thüringen war während der Sondierungsgespräche in den vergangenen Wochen besonders intensiv beobachtet worden. Schon im Wahlkampf wurde spekuliert, wie sich die Koexistenz zwischen der pragmatischen Landesvorsitzenden Katja Wolf und der ideologischen Parteigründerin Wagenknecht entwickeln, wie viel Beinfreiheit sich der Landesverband erkämpfen würde.
REUTERS / Liesa Johannssen
Sahra Wagenknecht im Bundestag in Berlin.
Während der Sondierungsgespräche hatte Wagenknecht aus Berlin immer wieder mit Forderungen dazwischengerufen, etwa nach einer Verschärfung der verlangten Präambel zur Ablehnung von Waffenstationierungen und für Friedensbemühungen im Ukrainekrieg. Sie war überhaupt zur Bedingungen für Zusammenarbeit gemacht worden. Über einen öffentlichen Newsletter vom Parteivorstand wurde Druck gemacht; zuletzt sorgte die handverlesene Neuaufnahme von Mitgliedern in Thüringen durch Berlin vorbei an den Landesverantwortlichen für Ärger. Wagenknecht musste sich in der Zeit den Vorwurf gefallen lassen, ob sie denn überhaupt Interesse an einer Regierungsbeteiligung habe. Oder ob sie, bereits auf Neuwahlen schielend, die Strategie hegte, aus der Opposition heraus besser abzuschneiden als in einer zu Kompromissen gezwungenen Landesregierung.
Ob es Zerwürfnisse gibt, ist unklar, sowohl der Landesverband als auch die Parteispitze halten sich bedeckt.
„Pragmatismus statt Ideologie“
Man kann nur vermuten: Denn auf die Zwischenrufe aus Berlin reagierten Katja Wolf vom BSW, Mario Voigt von der CDU und Georg Maier von der SPD, künftig in einer „Brombeerkoalition“ (wegen der Farben der Beere schwarz, lila, rot) vereint, mit einem Gastbeitrag in der FAZ, in dem für „Pragmatismus in der Politik“ statt „ideologische Grabenkämpfe“ plädiert wurde, für einen „gemeinsamen Gestaltungswillen für das Land“ und „pragmatisches Denken“. Abgesehen von der Herausforderung der Friedenspräambel sind sich die Parteien nämlich in vielen Fragen, für die sie in einer Landesregierung auch die Kompetenzen haben, einig: etwa bei Sprachtests für Fünfjährige, Bürokratieabbau und Wohnungsbau.
Dass eine Koalition zustande kommt, dürfte also doch an den Personen liegen. Im Nachbarland Sachsen wiederum, wo am selben Tag gewählt worden ist, sind Sondierungsgespräche zwischen CDU, SPD und BSW unlängst geplatzt. Der Grund: keine Einigung beim vom BSW geforderten Bekenntnis zum Frieden. Der CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer gab Wagenknecht die Schuld, sie habe dem Landesverband „die Beine gestellt“. In Brandenburg waren die Verhandlungen leichter, dort reicht eine Zusammenarbeit zwischen SPD und BSW für eine Mehrheit, auch dort dürfte sich ein Koalitionsvertrag anbahnen.
Kein Geld, weniger Mitglieder
An einer offenen Flanke dürfte …read more
Source:: Kurier.at – Politik