Auf rechts gedrehter Widerstand

Kultur

Ein US-Film über Dietrich Bonhoeffer sorgt für Aufregung. Der evangelische Widerstandskämpfer wird seit einiger Zeit als Symbolfigur von der Neuen Rechten vereinnahmt.

„Gott sagte, ich brauche jemanden, der vor Morgengrauen aufsteht, den ganzen Tag arbeitet, die Marxisten bekämpft und bis nach Mitternacht die Staatsoberhäupter trifft. Daher gab Gott uns Trump.“ Diese Predigt konnte man in einem Video hören, das vor der US-Wahl kursierte. Viele Trump-Wähler, vor allem evangelikale Christen, sehen den designierten Präsidenten denn auch als Gottesgeschenk. Nicht nur dieses eigenwillige Messiasbild zeigt ihre, nun ja, exzentrische Auffassung von Christentum. Auch der Umgang mit dem nach Hitlers persönlichem Befehl ermordeten Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer. Viele kennen ihn wohl als Dichter des Kirchenlieds „Von guten Mächten still und treu umgeben“.

Bereits 2020 wunderte sich mancher, warum in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg eine Bonhoeffer-Gedenkplakette im Namen von Donald Trump angebracht worden war. Relativ unbemerkt vom arglosen Rest der Welt hatte sich bereits zu diesem Zeitpunkt der evangelische Pastor – unfreiwillig – zu einer überraschenden Symbolfigur für die Neue Rechte in den USA entwickelt.

Dem Kontext entrissen

Diese Form der kulturellen Aneignung hat auch Niederschlag im Manifest über einen radikalen Staatsumbau der USA, dem „Project 2025“ gefunden, das Ultrakonservative für Trump verfasst haben – auch mit einem diametral falsch interpretierten Zitat. Maßgeblich beteiligt an dieser Entwicklung war ein Biograf namens Eric Metaxas, der die Widerständigkeit Bonhoeffers ihres geschichtlichen Kontexts entriss und ihn als Vorbild dafür modellierte, dass man sich vom „linken Mainstream“ bis zum „Deep State“ – je nach Verschwörungstheoretikergrad – allem entgegenstellt, was nicht ins „Make America great again“-Weltbild passt. Notfalls auch mit Waffengewalt. Siehe Sturm auf das Kapitol.

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Pistole auf der Bibel

Metaxas, der auch Radiomoderator und natürlich Impfgegner ist, hielt unter anderem die Biden-Administration für eine autoritäre Regierung und postet mitunter Fotos von der Bibel, auf der eine Pistole liegt. Schon 2010 hat er ein viel gelesenes Buch namens „Bonhoeffer: Pastor, Martyr, Prophet, Spy“ („Pastor, Märtyrer, Prophet, Spion“) veröffentlicht. Sehr ähnlich heißt nun ein neuer Film über den berühmten Theologen, der diese Woche in den US-Kinos angelaufen ist: „Bonhoeffer: Pastor, Spy, Assassin“ (Pastor, Spion, Attentäter“). Er wirbt mit einem Plakat, das den friedlichen Nazigegner mit einer Pistole in der Hand zeigt.

Nicht nur diese Geschichtsklitterung hat die Nachkommen Bonhoeffers im Oktober zu einem öffentlichen Aufschrei motiviert. In der „Zeit“ kritisierten sie, dass „das Vermächtnis von Dietrich Bonhoeffer zunehmend von rechtsextremen Antidemokraten, Fremdenfeinden und religiösen Hetzern verfälscht und missbraucht wird“. Und „niemals hätte er sich in der Nähe rechtsextremer, gewalttätiger Bewegungen gesehen, die heute versuchen, ihn zu vereinnahmen. Im Gegenteil, er hätte genau diese Haltungen kritisiert.“

„Fassungsloser“ Regisseur

Eine ganze Reihe deutscher Schauspieler, von Jonas Dassler in der Titelrolle über Moritz Bleibtreu bis zu August Diehl spielen in dem Film mit. Sie haben sich in einem Statement gegen die Vereinnahmung gewehrt. Inszeniert und geschrieben wurde der Film von Todd Komarnicki, von dem etwa das Drehbuch des Flugzeugdramas „Sully“ stammt. Er hat der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt, es mache ihn „fassungslos“, dass sein Film nun als Teil der rechten Propagandamaschine gesehen werde. Dass Bonhoeffer auf dem Plakat eine Pistole hält, sei nicht seine Entscheidung …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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