Über ein Viertel der Bevölkerung zwischen 16 und 65 Jahren versteht kaum, was sie lesen. Sie würden bereits an Aufgaben scheitern, die ein Kind am Ende der Volksschule lösen können sollte. Einfluss von Migration ist aber laut OECD-Bildungsdirektor Schleicher nur gering
Die Lese- und Verständnisfähigkeiten Erwachsener in Österreich haben sich in den vergangenen zehn Jahren massiv verschlechtert. Dies belegt die am Dienstag veröffentlichte OECD-Studie „Programme for the International Assessment of Adult Competencies“ (PIAAC), auch als „Erwachsenen-PISA“ bekannt.
Zwischen 2012 und 2023 verdoppelte sich in der Altersgruppe der 16- bis 65-Jährigen beinahe der Anteil jener, die bereits mit einfachen Texten Schwierigkeiten haben. Über ein Viertel der Erwachsenen in Österreich ist davon betroffen. Damit liegt unsere Alpenrepublik beim Lesen mit durchschnittlich 254 Punkten signifikant unter dem OECD-Durchschnitt von 260 Punkten.
Auf Volksschul-Niveau
29 Prozent können demnach nur einfachste Aufgaben bewältigen. 2012 lag dieser Anteil noch bei 16 Prozent. Laut OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher handelt es sich bei Personen, die höchstens auf Kompetenzstufe 1 abschneiden, de facto um funktionale Analphabeten. Diese würden bereits an Aufgaben scheitern, die ein Kind am Ende der Volksschule lösen können sollte. Die Entwicklung sei alarmierend, so Schleicher, insbesondere da das österreichische Bildungssystem eigentlich darauf abzielen müsste, allen Menschen zumindest grundlegende Kompetenzen zu vermitteln.
APA/apa
Die Verschlechterung steht im internationalen Trend: Trotz höherer Bildungsabschlüsse und Investitionen sank die Leseleistung in den meisten der 31 teilnehmenden Länder oder stagnierte zumindest. Während Finnland oder Dänemark leichte Verbesserungen erzielten, verlor Österreich spürbar an Boden.
Ein Grund dafür könnte der veränderte Medienkonsum sein: Kürzere, weniger komplexe Texte in der täglichen Lektüre könnten die Fähigkeit beeinträchtigen, längere Inhalte zu verstehen.
Schuld sind nicht die Migranten
Der Einfluss der steigenden Zahl von Menschen mit Migrationshintergrund auf das schwache Abschneiden ist laut Schleicher geringer als oft angenommen. Zwar seien Personen mit Migrationshintergrund im Schnitt schlechter, doch würden diese Effekte nur vier bis fünf Punkte ausmachen. Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass Migrantinnen und Migranten der zweiten Generation beim Lesen kaum schlechter abschneiden als Personen ohne Migrationshintergrund.
In den anderen getesteten Bereichen steht Österreich besser da: Mit 267 Punkten im Bereich Mathematik liegt das Land über dem OECD-Schnitt von 263 Punkten. Allerdings ist auch hier ein Anstieg im Anteil jener zu verzeichnen, die nur auf niedrigstem Niveau bestehen. In der neu eingeführten Testdomäne „adaptives Problemlösen“ landet Österreich mit 253 Punkten ebenfalls leicht über dem OECD-Durchschnitt von 251 Punkten. Doch auch hier zeigt sich, dass mehr als ein Viertel der Getesteten nur einfachste Probleme lösen kann.
APA/apaWo eine Villa, da ein besserer Bildungsweg
Besonders problematisch ist laut Schleicher die immer stärkere Koppelung von Bildungserfolg an die soziale Herkunft. Der Zusammenhang zwischen den erreichten Kompetenzen und dem Bildungsniveau der Eltern hat sich seit 2012 in Österreich nochmals verschlechtert. So erreichen Personen mit Hochschulabschlüssen im Elternhaus im Schnitt 284 Punkte, während jene aus bildungsärmeren Familien lediglich auf 220 Punkte kommen. Dass dies nicht zwangsläufig so sein muss, zeigen andere Länder wie Spanien, in denen es gelungen ist, gegen diesen Trend gegenzusteuern.
International zählen Finnland, Japan und Schweden nach wie vor zur absoluten Spitzengruppe in allen Domänen. Österreich reiht sich im Mittelfeld ein, liegt jedoch im …read more
Source:: Kurier.at – Politik