Anlässlich der letzten Ausgabe von „Im Zentrum“ erklärt die Moderatorin das Arbeiten mit über 32 Absagen, den „digitalen Scheiterhaufen“, ein optisches No-Go und warum sie gelernt hat, nichts auszuschließen.
Mit einer Reichweite von im Schnitt 454.000 Zusehern (Marktanteil: 21%) ist „Im Zentrum“ die Nummer eins der wöchentlichen Diskussionsformate. Heute (15.12.) wird zum letzten Mal diskutiert. Ehe Moderatorin Claudia Reiterer in ihrer Derniere mit Philosoph Richard David Precht, Intendant Milo Rau, Grünen-Politkerin Meri Dissoski und Journalistin Ingrid Brodnig zu „Dürfen wir WIRKLICH nichts mehr sagen? – Reden wird darüber“ befragt (15.12.2024, ORF 2, 22h10) – gibt sie dem KURIER Antwort.
KURIER: Sie beenden „Im Zentrum“ stets mit dem Satz „Reden Sie darüber“. Reden wir darüber, warum heute die letzte Sendung ist, denn die Quoten sind gut und am Alter kann es ja nicht liegen?
Claudia Reiterer: Ich habe immer gesagt, dass die Gleichberechtigung erst dann erreicht ist, wenn eine Frau im ORF genau so lange moderieren darf wie Paul Lendvai. Er hat heuer mit 94 Jahren Abschied genommen. Das werde ich wohl nicht schaffen.
Einige erinnern sich an Sie als Dancing Star, andere als konkret-Moderatorin oder Reporterin vom Grubenunglück in Lassing. Wann waren Sie zum ersten Mal im Fernsehen?
Das erste Mal am Schirm war ich 1995 im Privatfernsehen „Kabel TV Eichfeld“ in einem Mini-Studio, das die Anmutung eines Wohnzimmers hatte mit Bügeltisch und allem, was damals dazugehörte.
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Reiterer mit Wolfgang Peschorn, Chef der Finanzprokuratur
Sie sind seit acht Jahren am Sonntag quasi im Wohnzimmer der Republik. Wann beginnt normalerweise Ihre Sendungsplanung?
Idealerweise legen wir am Dienstag ein Thema fest, stecken die möglichen Positionen ab und beginnen mit der Gästeauswahl. Ich vergleiche das gerne mit dem Sport. Bei Marcel Hirscher kommt auch niemand auf die Idee, es könnte reichen, dass er trainiert und dann die Ski anschnallt. Wir komponieren jede Sendung wie ein Musikstück, versuchen eine Dramaturgie aufzubauen, mit den Gästen alle Seiten eines Themas beleuchten zu können, fragen alle an – beginnend bei den Kardinälen und enden oft bei den Ministranten.
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Wer ist wir?
Mein Team besteht aus zwei Redakteurinnen, einem Redakteur und einem Praktikanten.
Zurück zu den Absagen – wie viele gibt es pro Sendung?
Es gab Wochen mit bis zu 32 Absagen.
Das kann an der Themen- oder an der Gästeauswahl liegen…
…es liegt eher daran, dass „Im Zentrum“ keine Wohlfühlsendung ist. Es geht zumeist um eine Krise oder brisante Entwicklungen und darum, dass Menschen dort ihre prononcierte Meinung sagen. Viele wollen nicht mehr diskutieren, weil sie nach der Sendung speziell auf Social Media-Kanälen mit Beschimpfungen und Shitstorms konfrontiert sind, denen sie sich nicht aussetzen wollen. Die Diskurs-Verweigerung ist in den letzten zwei Jahren jedenfalls stärker geworden.
Meinen Sie damit speziell die heimische Spitzenpolitik, die eher selten „Im Zentrum“ ist.
Vor den Wahlen erklären die Politikerinnen und Politiker gerne, was sie vorhaben, aber mittlerweile meiden sie die Möglichkeit, sich live zu erklären, Dialogfähigkeit zu demonstrieren. Das liegt wohl auch daran, dass man jederzeit etwas Falsches sagen kann und wir in Zeiten leben, in denen alles auf die Goldwaage gelegt wird. Dabei ist es eine vergebene Chance, seine Haltung dem Publikum und potenziellen …read more
Source:: Kurier.at – Kultur