Václav Luks und die Wiener Symphoniker im Wiener Konzerthaus
Von Susanne Zobl
Der Begriff „Zeitenwende“ wurde vom deutschen Kanzler Scholz und durch das schreckliche, weltpolitische Geschehen negativ geprägt. Auf klassische Musik, konkret auf die Diskussion über historische Aufführungspraxis, umgemünzt lässt sich dieses Wort in ein erfreuliches Licht rücken, wie Václav Luks bei Johann Sebastian Bachs „Weihnachtsoratorium“ mit den Wiener Symphonikern im Konzerthaus hören ließ.
Der tschechische Dirigent ist Spezialist für Alte Musik. Er selbst spielt Horn und Cembalo. 2005 gründete er das heute international gefragte Barockorchester Collegium 1704 samt Vokalensemble. Nikolaus Harnoncourt ist sein großes Vorbild. Dessen Erkenntnisse nützt er zur Weiterentwicklung neuer Interpretationen. Von den sechs Kantaten des Opus BWV 248 spielt er die ersten drei und die sechste und demonstriert, wie man mit einem klassischen, symphonischen Orchester Bach aufregend interpretien kann. Mit Pseudo-Originalklang-Effekten gibt er sich nicht ab. Er lässt die Streicher ohne Vibrato spielen, was einen herben Klang erzeugt. Eine besondere Wirkung und Klangbalance generiert er durch die Sitzordnung. Die Holzbläser sind rechts vorn platziert, was ein ausgewogenes Zusammenspiel mit den Streichern ermöglicht.
Sein Dirigat hat einen erfrischenden Vorwärtsdrang. Mit dem flott angehobenen „O jauchzet, frohlocket“ setzt er gleich zu Beginn auf einen gewissen Drive. Der wird konsequent durchgehalten. Die Symphoniker folgen ihm präzise. Ausgezeichnet die Solo-Flöte, expressiv die anderen Holzbläser, klar die Trompeten. Exzellent wurde gesungen. Sebastian Kohlhepp ist ein Vorzeige-Evangelist mit seinem ausdrucksstarken, klar timbrierten Tenor. Da fehlt nichts. Krešimir Stražanac nimmt mit seiner Kunst zu phrasieren, seinem geschmeidigen Bass-Bariton ein. Kateryna Kasper betört mit ihrem leuchtenden Sopran, Anna Lucia Richter besticht mit ihrem ausdrucksvollen Mezzosopran und mit betörender Innigkeit. Ausgewogen, wortdeutlich lässt die Wiener Singakademie (Einstudierung: Heinz Ferlesch) die Finessen in den Chorpassagen hören und wurde wie alle Beteiligten zurecht bejubelt.
KURIER-Wertung: 4 von 5 Sternen
Source:: Kurier.at – Kultur