75 Luftangriffe seit Samstag: Israel rechnet damit, dass die syrischen Rebellen einander bekriegen werden – und will sie kleinhalten.
Israels Armee vermied jedes Risiko. Kaum hatten sich letzte Woche die Soldaten der Assad-Armee vom Sperrzaun zwischen Israel und Syrien auf den Golan-Höhen zurückgezogen, verjagte sie erste nachrückende Rebellen aus der seit 50 Jahren entmilitarisierten Zone.
Mit Hunderten Luftangriffen wurden in wenigen Tagen fast alle militärischen Einrichtungen der Assad-Armee zerstört: Jene der Luftstreitkräfte, Bodentruppen und der Marine. Israels Armee rückte auf die von Syrien kontrollierte Seite des Höhenzugs vor. Für Israels Premier Benjamin Netanjahu ein „historischer Moment“.
Mit den syrischen Stellungen übernahm Israel dabei auch mehrere bewohnte Dörfer; „Bis zur Klärung der Lage in Syrien“, heißt es.
Israel rechnet damit, dass die Rebellen um Macht ringen werden
Syriens neuer starker Mann Ahmed Hussein al-Sharaa – seinen Kampfnamen Abu Mohammad al-Julani hat er abgelegt – versucht, den Staat mit all seinen verfeindeten Volksgruppen und konkurrierenden Milizen zusammenzuhalten. Israels Regierung bezweifelt, dass ihm das gelingt. Zu verworren ist die Lage.
So bombardierte Israel noch in der Nacht zum Montag erneut sogenanntes „Militärpotenzial“, das nicht in die Hände der Rebellen geraten soll. Auch nach diesen Angriffen wurden keine Todesopfer gemeldet. Trotzdem werden sie auch in den mit Israel verbündeten Nachbarstaaten mit wachsender Verärgerung wahrgenommen.
Israels Regierung steht vor einem Dilemma. Eine stabile Zentralregierung in Damaskus ohne schlagkräftige Armee hätte auch für Israel Vorteile. Man rechnet aber offensichtlich erst einmal mit neuen Kämpfen zwischen den rivalisierenden Rebellen. Mit neuer Feindschaft anstelle der Alten.
Neue Golan-Siedlungen
Sicherheitsexperten wie Prof. Dror Seewi empfehlen daher, Israels Sicherheitsanspruch nicht allein militärisch durchzusetzen. Die neuen arabischen Bündnispartner könnten auch als Vermittler zur neuen syrischen Führung dienen. Al-Sharaa selbst bekräftigte noch am Wochenende, er habe keine Absicht, Israel anzugreifen.
Wegen al-Sharaas islamistischen Werdegangs mag das erst einmal auf Misstrauen stoßen. Doch hatte Israel in der Vergangenheit auch positive Kontakte zu den Rebellen. Israels Luftangriffe gegen die aus dem Iran gesteuerten Feinde der Rebellen kamen für diese oft günstig. Ein israelisches Lazarett an der Golan-Grenze nahm sogar Verwundete auf. Seewi empfiehlt daher, sensibler vorzugehen.
Stattdessen kam jetzt Netanjahus Ankündigung, die Zahl der israelischen Siedler auf dem Golan zu verdoppeln. Dabei gibt es bereits jetzt für die dortigen Einwohner kaum Arbeitsmöglichkeiten. Vollmundige Siedlungspläne wurden in den letzten Jahren kaum umgesetzt. Ihr provokativer Effekt ist aber umso nachhaltiger.
Israel wartet nicht die Entwicklungen in Damaskus ab. Es hat damit begonnen, im direkt benachbarten Grenzgebiet selbst für Ruhe zu sorgen: Israelische Drusen nahmen im Auftrag der Regierung bereits Kontakt zu den dort lebenden syrischen Drusen auf.
Angeblich sollen einige der Dörfer auf der syrischen Golan-Seite bereits den Anschluss an Israel gefordert haben. Wobei unklar ist, wer letztlich für die lokalen Drusen sprechen darf.
Source:: Kurier.at – Politik