Russland betreibt in Syrien strategisch wichtige Militärstützpunkte. Der Kreml will sie gern halten, in der EU wittert man die Chance, russischen Einfluss in dem Land zu schmälern.
Seit dem Jahr 2015 hat Russland den gestürzten Machthaber Bashar al-Assad in Syrien militärisch unterstützt. Russland unterhält in dem Land eine strategisch wichtige Luftwaffenbasis nahe der Hafenstadt Latakia und einen Marinestützpunkt mit Kriegsschiffen im Mittelmeerhafen von Tartus.
Mit Assads Sturz machten sich im Kreml Ernüchterung und Enttäuschung breit, erlitt Putins Einfluss im Nahen Osten damit doch einen deutlichen Dämpfer.
Der Kreml ist freilich bemüht, diese Stützpunkte aufrechtzuerhalten, stellen die Militärbasen doch Putins Afrika-Drehscheibe dar. Verliert Russland diese Basen, wären Operationen auf dem Kontinent deutlich komplizierter.
Die Syrer müssten nun „alleine klarkommen“, schrieb Konstantin Kossatschow, prominenter Außenpolitiker und stellvertretender Vorsitzender des russischen Föderationsrates, in einer ersten Reaktion auf den Machtwechsel. Nun betont Russland, dass es „wichtig“ sei, „dass die Syrer selbst über die Zukunft Syriens bestimmen.“ Von der neuen Führung fordert das Außenministerium in Moskau, für öffentliche Ordnung zu sorgen und interne Abrechnungen zu unterbinden. Die orthodox-christliche Minderheit müsse geschützt werden.
„Wir wollen die Russen raushaben“
Vertreter der Europäischen Union wünschen sich im Zuge der Neuordnung des Landes, dass der russische Einfluss in Syrien schwindet. „Wir wollen die Russen raushaben.“ So formulierte er der Niederländer Caspar Veldkamp beim EU-Außenministertreffen. Auch EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas will, dass Syrien „den russischen Einfluss loswird“ und macht es zur Bedingung für Beziehungen zur neuen syrischen Führung.
Bisher weiß niemand, ob das Land unter den neuen Machthabern wirklich zur Ruhe kommen wird. Kallas räumte kürzlich ein, es gebe berechtigte Bedenken hinsichtlich der Risiken konfessionell motivierter Gewalt, des Wiederauflebens von Extremismus und eines Regierungsvakuums. Auf jeden Fall möchte man seitens der EU Entwicklungen wie in Libyen oder Afghanistan verhindern. Eine gewichtige Rolle spielt auch die Hoffnung vieler Mitgliedstaaten, dass Syrien-Flüchtlinge künftig freiwillig in ihre Heimat zurückkehren würden oder dorthin abgeschoben werden könnten.
So will die EU nun Gesprächskanäle zur islamistischen HTS aufbauen. Die EU-Chefdiplomatin schickt dafür den deutschen Spitzendiplomaten Michael Ohnmacht nach Damaskus.
Der UN-Sondergesandte Geir Pedersen sprach dort bereits mit dem Anführer der Islamistengruppe HTS, Ahmed al-Sharaa.
Der gab sich dabei wie schon öfter moderat und zugänglich. Man sprach über die „Einheit der syrischen Gebiete“ sowie über den Wiederaufbau und den politischen Übergang im Land. So plant al-Sharaa die Auflösung seiner Kämpfergruppen und ihren Eintritt in die Armee. Die verschiedenen Fraktionen „werden aufgelöst und die Kämpfer für die Reihen des Verteidigungsministeriums ausgebildet, wobei alle dem Gesetz unterliegen“, erklärte der HTS-Anführer.
Er kündigte am Montag auch an, einen „Vertrag“ zwischen dem Staat und den Religionen schließen zu wollen, um „soziale Gerechtigkeit“ sicherzustellen. „Syrien muss geeint bleiben, und es muss einen Sozialvertrag zwischen dem Staat und allen Konfessionen geben, um soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten.“
HTS-Chef will Sanktionen beendet sehen
Gegenüber britischen Diplomaten äußerte HTS-Chef al-Sharaa die Notwendigkeit, „alle gegen Syrien verhängten Sanktionen aufzuheben, um die Rückkehr syrischer Flüchtlinge in ihr Land zu ermöglichen“.
Dagegen legt sich die EU vorerst noch quer: Erst müsse sichergestellt werden, dass Minderheiten nicht verfolgt und zugleich die Rechte der Frauen geschützt werden, so Kallas. Sanktionen würden keine keine Gespräche verhindern, hieß …read more
Source:: Kurier.at – Politik