Die Schriftstellerin Bettina Balàka hat für den KURIER eine Geschichte über die nicht immer ganz einfache Kommunikation zwischen Mensch und Tier geschrieben.
Von Bettina Balàka
In der Christnacht sprechen Tiere in der Menschensprache, besagt die Legende. Und zwar weniger das Reh im Wald, der Hase am Feld oder der Fuchs, der diesem in dunkler Abgeschiedenheit Gute Nacht sagt, als vielmehr jene Tiere, die mit dem Menschen eng zusammenleben. Durch stetes Zuhören haben sie wohl seine Sprache gelernt. Mit Weihrauch geht der Bauer in dieser geheimnisvollsten der Raunächte durch den Stall, um böse Geister zu vertreiben, mit Weihwasser besprengt er sein Vieh.
Wenn er nun ganz genau hinhört, kann es geschehen, dass Kuh, Pferd oder Ziege ihm allerlei Dinge erzählen, zum Beispiel, wie seine Zukunft aussieht. Dies allerdings kann einen schmerzlichen Verlauf nehmen, wenn er sein allzu nahes Todesdatum erfährt. Besser ist es, Ochs und Esel bedanken sich für gute Behandlung oder sprechen über die Geburt Christi.
Die Stunde der Wahrheit
In einem Alter, in dem ich Legende und Wirklichkeit noch nicht auseinanderhalten konnte (was verzeihlich scheint angesichts dessen, dass man mir sagte, das Christkind fliege zum Fenster herein und schmücke den Christbaum), war es mein größter Traum, diese Gelegenheit einmal ergreifen und mich mit Tieren ausführlich unterhalten zu können. Leider lebten wir fern von Ställen und Vieh in einer Salzburger Wohnsiedlung und meine Eltern wollten sich zu nächtlichen Bauernhofexkursionen partout nicht erweichen lassen. Doch meine Stunde – und die der Wahrheit – sollte kommen. Wieder war es Heiliger Abend, im verschlossenen Wohnzimmer wurde geraschelt und geräumt, bis ein Glöckchen verkündete, dass das Christkind da gewesen war. Diesmal hatte es mir etwas Besonderes gebracht, ein lebendiges Tier: ein Meerschweinchen. Es war haselnussbraun mit schwarzen Flecken und wurde Karli genannt, ungeachtet dessen, dass hinsichtlich seines Geschlechts Unklarheit bestand. Eine Bananenkiste wurde mit Zeitungspapier, Sägespänen und Heu ausgekleidet, ich mit dem Auftrag versehen, diese regelmäßig zu wechseln (um Verantwortung zu lernen), und Karli mit Salatblättern und Sonnenblumenkernen gefüttert.
Ich aber hatte nur eines im Sinn: In wenigen Stunden würde dieses Meerschweinchen zu reden beginnen. Kaum konnte ich es erwarten, dass die Mitternacht hereinbrach, denn, so hatte ich es gelernt, erst dann würde das Wunder geschehen. Zur Geisterstunde schlich ich mich aus meinem Bett in die Küche, wo Karlis Kiste stand. Ich setzte mich zu ihm und wartete, dass er etwas sagte – in einer tiefen Männerstimme, wie ich annahm, immerhin hieß er Karli. Doch er fiepte nur. Ich streichelte ihn, nahm ihn auf den Schoß, sagte schließlich selbst ein paar Sätze, um das Gespräch in Gang zu bringen. Weiterhin nichts, kein einziges menschliches Wort. Nach einer Stunde gab ich auf. Karli und die Legende waren eine schwere Enttäuschung.
Es waren die 1970er-Jahre. Tiere als Weihnachtsgeschenk waren selbstverständlich, ebenso wie die Einzelhaltung von Meerschweinchen. Niemand wusste, dass man die hochsozialen Nager mindestens zu zweit, besser noch in der Gruppe halten muss, da sie sonst einsam und unglücklich sind. Ebenso wenig war bekannt, dass es sie enorm unter Stress setzt, gekuschelt und gestreichelt zu werden, sodass sie allenfalls Beobachtungstiere sind, die viel …read more
Source:: Kurier.at – Kultur