Warum das Schreiben über Tiere unter den Kühlschrank ebenso wie in den Yellowstone Nationalpark führen kann
Die schlichte Botschaft lautete: Staunen über die Welt. „Eine wie aus der Zeit gefallene Buchreihe berichtet davon, wie schön diese Welt ist“, schrieb der KURIER 2014, als sich der Berliner Matthes-&-Seitz-Verlag mit seiner „Naturkunden“-Reihe an aufwendige Bücher über Esel, Dinosaurier oder Heringe wagte. Das „Nature Writing“, eine literarische Tradition der Naturgeschichtsschreibung, liegt seitdem wieder im Trend. Warum? „Vielleicht, weil die Natur immer mehr verschwindet“, sagt Cord Riechelmann. Der Philosoph und Biologe machte damals mit seiner Natur- und Kulturgeschichte der Krähen den Anfang der Naturkunden-Reihe, die seither auf 111 Bücher über Tiere und Pflanzen, Pilze und Menschen, Landschaften, Steine und Himmelskörper angewachsen ist. Spinnen, Wespen und Ratten wird darin ebenso Tribut gezollt wie den in der Literatur öfter anzutreffenden Füchsen und Hirschen.
„Zum Nature Writing gehört die Expedition zu den Kakerlaken unter dem Kühlschrank genauso wie ein Ausflug in den Yellowstone Nationalpark. Ich schrieb über Krähen, die ich jeden Tag aus dem Fenster meiner Berliner Wohnung sehen kann und auch sonst überall in der Stadt. Es geht um das Gegenwärtige der Natur in unseren Lebensräumen,“ sagt Riechelmann. Wissenschaftliches Schreiben und Literatur lagen früher nicht so weit auseinander – Goethe hat beachtliche naturwissenschaftliche Schriften verfasst. „Darwins Bericht von seiner Reise Die Fahrt der Beagle ist ein Klassiker des Nature Writing und trotz der Tragweite seiner Überlegungen zu dem, was er sah, keine wissenschaftliche Literatur im strengen Sinn. Darwin war aber auch wie Goethe ein großer Stilist, der sehr viel Zeit in das Erscheinungsbild seiner Bücher investierte“, berichtet Riechelmann.
Cover
Cord Riechelmann:
„Krähen. Ein Porträt“
Matthes & Seitz.
155 Seiten.
20,95 Euro
Warum haben sich literarisches und wissenschaftliches Schreiben später auseinanderentwickelt? Weil die heute international gewordenen Naturwissenschaften den persönlichen Stil eines Autors nur bedingt vertragen, glaubt Riechelmann, der darin auch den Unterschied zwischen wissenschaftlichem und literarischem Schreiben sieht: „Nature Writing verschweigt die persönlichen Empfindungen nicht.“
Es ist schwer zu beziffern, wie viel zeitgenössische Literatur sich mit Tieren beschäftigt. Wer jedoch viel mit Büchern zu tun hat, der weiß: Es ist eine Menge. 2020 stellten die Autorin Jana Volkmann und der Autor Luca Kieser fest, dass sie beide an Tiermanuskripten arbeiteten. Man kam ins Gespräch, gab einander Lektüreempfehlungen. So entstand ein Lesekreis, der sich seither in unregelmäßigen Abständen zur Diskussion von Tierlektüren zusammenfindet. Einige der Autoren und Autorinnen stellen wir hier vor.
kurier/Martin Winkler
„Ich finde Kellerasseln und Würmer genauso interessant“
Philipp Weiss schreibt über Tiere, um die Welt als Ganzes zu begreifen
Über Tiere schreiben? Ja, gerne. Philipp Weiss tut das eigentlich immer, er hat das in gewisser Weise auch schon bei seinem ersten Roman getan. Aber vielleicht ein bisschen anders, als man sich das gemeinhin so vorstellt. „Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen“ hieß der 2008 erschienene Mammut-Roman des Wieners. Grob gesagt geht es darin um das Verhältnis des Menschen zur Natur. Intelligente Hunde und selbstbewusste Katzen kommen darin nicht vor. Weiss bevorzugt Mikroben und hin und wieder auch Wale – obwohl Letztere weltliterarisch gesehen doch schon öfter zu Ehren gekommen sind. Weiss geht es bei Mikroben und …read more
Source:: Kurier.at – Kultur