Der neue ÖVP-Chef über Gespräche mit seiner Familie, mit Kickl, neue Sideletters, verlorene Glaubwürdigkeit und warum sich Babler nicht befreien kann.
Seit 5. Jänner ist Christian Stocker geschäftsführender Bundesparteiobmann der ÖVP – sein Vorgänger Karl Nehammer ebenso Geschichte wie das Wahlversprechen der ÖVP, keine Regierung mit der FPÖ unter der Führung von Herbert Kickl einzugehen. Seit wenigen Tagen sitzen FPÖ und ÖVP an einem Verhandlungstisch, um über eine Koalition zu beraten. Der ehemalige ÖVP-Generalsekretär und Anwalt Stocker (64)
KURIER: Dem Podcast Ihres Vorgängers folgend „Karl, wie geht’s?“: Wie geht es Ihnen?
Christian Stocker: Ich bin fast versucht zu sagen: Mir geht es jede Stunde anders.
Auf einer Skala von Null bis 10?
Es kommt auf die Stunde an.
REUTERS / Lisa Leutner
Andreas Babler, Karl Nehammer, Beate Meinl-Reisinger
Die Dreier-Koalitionsverhandler sagten, sie „wollen, sie müssen nicht“. Mussten Sie die ÖVP übernehmen, weil es niemanden anderen gibt?
Es geht nicht immer um „müssen“ oder „wollen“. Ich weiß, dass ich damit an Reputation verloren habe, dass meine Glaubwürdigkeit und jene der Politik gelitten hat. Im Wissen, was ich über den FPÖ-Obmann gesagt habe, war das alles andere als eine leichte Entscheidung. Ich bin aber gottseidank in einer Situation, in der ich wirtschaftlich und persönlich unabhängig bin und niemandem gefallen oder noch etwas werden muss.
Sie meinen, Sie haben nichts mehr zu verlieren?
Nein, ich habe etwas verloren.
Ihre Reputation als Anwalt, als Vizebürgermeister von Wiener Neustadt, als ÖVP-Politiker?
Meine Reputation hat eine Delle bekommen. Aber in Abwägung aller Möglichkeiten bleibe ich dabei, dass es die richtige Entscheidung für das Land war. Auch um den Preis, dass ich jetzt etwas mache, was ich vor einer Woche noch ausgeschlossen habe, nämlich eine Regierung mit Herbert Kickl zu verhandeln. Ob eine zustande kommen wird, das werden wir erst sehen.
Kurier / Wolfgang Wolak
ÖVP-Chef Christian Stocker in der Parteizentrale in der Lichtenfelsgasse
Sie stammen selbst aus einem politischen Elternhaus, Ihr Sohn ist politisch aktiv. Wie erklären Sie Ihrem Umfeld Ihre 180 Grad-Wende?
Auch für meinen Sohn war es nicht leicht, mit der Situation umzugehen, weil er mich als jemanden kennt, der immer zu dem steht, was er sagt. Ich hoffe, dass ich keine falsche Entscheidung getroffen habe, denn wir werden erst in der Zukunft wissen, ob es für das Land richtig war.
Das heißt, Sie haben innerfamiliär an Reputation verloren?
Die habe ich schon wieder gewonnen. Wenn es politisch so ausgeht wie in der Familie, dann wird alles gut.
FPÖ-Chef Herbert Kickl hat in seiner Rede gesagt, Sie und die ÖVP müssten beweisen, dass Sie es ehrlich meinen, die FPÖ als Wahlsieger anerkennen. Wie werden Sie sich wechselseitig beweisen, dass Sie es „ehrlich“ meinen?
In meiner Rede am Tag danach habe ich gesagt, dass mein Gemüt gut gekühlt ist. Das ist die Voraussetzung dafür, dass professionell verhandelt werden kann. Wir gehen ernsthaft in diese Verhandlungen und mit dem Anspruch, auf Augenhöhe zu verhandeln. Das haben wir mit all unseren Verhandlungspartnern bis dato so gehalten und das erwarte ich auch jetzt.
Kurier / Wolfgang Wolak
Christian Stocker im KURIER-Interview am 10. Jänner 2025
In Ihrer Rede haben Sie taxativ Dinge angeführt, die allesamt in der Verfassung stehen, wie auch …read more
Source:: Kurier.at – Politik