Alex Kapranos, Sänger der Band Franz Ferdinand, über das neue Album „The Human Fear“, über die fehlende Bereitschaft zur offenen Diskussion und die Existenz des Außenseiters.
Es macht mich verrückt, wenn Leute nicht mehr diskutieren wollen und bei der kleinsten Unstimmigkeit aufhören, miteinander zu reden!“
Der Ärger über das, was Alex Kapranos, Sänger und Songwriter der Gitarren-Dance-Band Franz Ferdinand, immer häufiger in seinem Umfeld wahrnimmt, ist seiner Stimme an dieser Stelle des KURIER-Interviews deutlich anzuhören. „Ich würde mich jederzeit als fortschrittlich und liberal bezeichnen, aber viele von meinem Gleichgesinnten sind da unglaublich intolerant. Wenn sie mit jemandem über ihre Ansichten über zum Beispiel Veganismus, Abtreibung oder die Situation in Palästina in nur einer winzigen Kleinigkeit nicht übereinstimmen, weisen sie sofort alle Gedanken des anderen zurück. Ich halte es für unglaublich gefährlich, wenn man Leute, die anderer Meinung sind, nicht respektiert und es keinen Dialog mehr mit ihnen gibt.“
Wütende Männer
Obwohl Kapranos die Missbilligung dieser aktuellen Gesellschaftssituation im Gespräch so leidenschaftlich äußert, deutet er sie in dem wunderbar eingängigen Song „Audacious“ nur in Nebensätzen an.
Auch in zwei, drei anderen Songs des neuen Franz-Ferdinand-Albums „The Human Fear“ kommen die großen gesellschaftlichen Ängste unserer Zeit nur am Rande vor. Mit gutem Grund. „So viele Leute schreiben politische Songs, die ich aber schrecklich finde“, sagt der 52-Jährige. „Das sind fast immer wütende Männer, die ihre politische Haltung rausschreien. Ich halte das für eine Bevormundung, die auf der Haltung basiert, dass das Publikum ignorant ist. Ich hasse das! Ich halte mein Publikum für klüger als mich, würde ihm niemals erklären, was es denken soll. Im Gegenteil: Ich liebe die Idee, dass die Leute meine Songs in einer viel komplexeren Art interpretieren können, als ich selbst.“
Der zweite Grund, für die gewollte Interpretationsoffenheit der Songs von „The Human Fear“, die jede Menge aufbauende Energie im typischen Franz-Ferdinand-Sound bieten, ist die Art, wie Kapranos Songs schreibt. Es gebe dabei immer viele verschiedene Ideen, die aufeinanderprallen prallen und sich vermischen, sagt er.
„Der Song ,Hooked‘ ist ein gutes Beispiel. Der entstand, als mein Sohn geboren wurde. Davor haben mir viele Leute gesagt: ,Du wirst ihn lieben‘. Ich dachte dann immer: ,Ja, klar, ich habe Liebe erfahren, ich weiß, wie sich das anfühlt.‘ Ich war aber überhaupt nicht darauf vorbereitet, wie überwältigend diese Art Liebe ist. Das hat mich schockiert. Gleichzeitig spielen in diesen Song all die existenziellen Ängste hinein, die ich immer hatte – weil die mit der Geburt meines Sohnes zwar nicht verschwunden sind, mir aber viel unbedeutender vorkommen.“
Dass sich alle Songs von „The Human Fear“ im Kern um menschliche Ängste drehen, ist kein bewusstes Konzept.
„Ich kann mir nicht vornehmen, für ein Album nur Songs zu einem bestimmten Thema zu schreiben. Ich bin der Typ Mensch, der sofort dagegen rebelliert, wenn es solche Regeln gibt. Aber nachdem alle Songs fertig waren, habe ich festgestellt, dass das Thema überall drinnen steckt. Sei es wie in ,Bar Lonely‘ die Angst, eine Beziehung aufzulösen, obwohl beide wissen, dass es vorbei ist, sei es wie in ,The Birds‘ die Angst vor Demütigung durch Gleichgesinnte und …read more
Source:: Kurier.at – Kultur