Russischer Dissident Yashin: „Ich bin gegen meinen Willen im Exil“

Politik

Der Kremlkritiker kam im Zuge eines Gefangenenaustauschs nach Europa. Der Politik hier stellt er kein gutes Zeugnis aus.

Achteinhalb Jahre hätte er im Straflager sitzen sollen, auf Putins Geheiß, weil er dessen Krieg kritisiert hatte. Raus kam Ilya Yashin schon nach zwei. Obwohl er eigentlich nicht wollte.

„Ich bin gegen meinen Willen im Exil“, sagt der 41-Jährige, er war auf Einladung des Presseclubs Concordia in Wien. Im Sommer wurde er im Zuge eines Gefangenenaustauschs freigelassen, gemeinsam mit 15 anderen Gefangenen – Evan Gershkovich etwa, jenem US-Reporter, dem man Spionage unterstellte; oder Wladimir Kara-Murza, ebenso ein bekannter russischer Oppositioneller. Sie alle wollten in den Westen; Yashin hingegen sagt, er sei nur als prominentes Tauschobjekt auf der Liste gelandet. Der Kreml habe dafür den Tiergarten-Mörder Wadim Krasikow bekommen, der für ihn Auftragsmorde in Europa verübte – Putin empfing den FSB-Agenten in Moskau mit einer Umarmung.

Im Exil zu arbeiten, falle ihm schwer, sagt Yashin. In Moskau arbeitete er vor seiner Verhaftung als Abgeordneter der Bewegung Solidarnost’, war medial präsent, und seine Videos über Putins Lügen hatten noch Millionen Views, als er schon in Haft saß. Mittlerweile lebt er in Berlin, die Stadt ist der Hotspot vieler russischer Dissidenten; auch Iwan Kolpakow, Chefredakteur der in Russland verbotenen Netzzeitung Meduza ist dort. Beide beklagen, dass ihre Arbeit in Russland nur schwer Verbreitung findet, nicht nur wegen technischer und juristischer Barrieren: „Die Russen wollen überhaupt keine Nachrichten mehr lesen“, sagt Kolpakow in Wien. Dabei würden seine Mitarbeiter ihr Leben riskieren: Wer in Russland für Meduza schreibt, wandert ins Gefängnis, Kolpakows Leute arbeiten darum verdeckt.

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Zwei Millionen Exilanten

Auch in Europa wird der Exilopposition die Arbeit nicht leicht gemacht. Zumindest eine Million Menschen sind seit der Invasion aus Russland geflohen, auf sie fokussiert sich Yashin. Er organisiert große Demos, fördert Vernetzung. Mit Alexej Nawalnys Witwe Julija ist er etwa aufgetreten, um eine geeinte Front gegen Putin zu schaffen: Russen, die sich gegen dessen Krieg stellen. „Ich hoffe, damit eine große Bewegung zu schaffen“, sagt Yashin. Unterstützung von europäischen Politikern bekomme er aber kaum. „Sie sprechen eigentlich nicht mit mir.“

Einige westliche Länder würden geflüchteten Russen auch bewusst Prügel vor die Füße werfen, beklagt er. In Tschechien etwa hat man ein Gesetz auf den Weg gebracht das von Russen verlangt, ihre Staatsbürgerschaft aufzugeben, wenn sie Tschechen werden wollen – für alle anderen Nationalitäten gilt das nicht.

Damit solle Spionagetätigkeiten verhindert werden, so das Argument der konservativen Regierung. Dissidenten wie Yashin verunmöglichen derartige Gesetze aber, in ihrer Heimat wieder politisch aktiv zu werden; und normale Bürger verlieren zu Hause jegliche Ansprüche. „Das ist ein Riesenproblem für die Emigranten“, sagt Yashin.

Er selbst wolle so schnell wie möglich zurück nach Hause, selbst wenn Putin noch regiere. Der Westen solle als Teil eines Ukraine-Deals verlangen, die echte russische Opposition zu legalisieren, fordert der Dissident. „Dann können Leute wie ich zurück und endlich etwas ausrichten.“

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Source:: Kurier.at – Politik

      

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