Wenn man keine Visionen hat, bereut man es vielleicht am Totenbett

Kultur

Ryan Lott, Frontman der US-Band Son Lux, über die fünf Songs der neuen EP „Risk Of Make Believe“

„Geistermelodie“ nennen Son Lux etwas, das sie seit ihrem Debüt-Album „At War With Walls & Mazes“ kultiviert haben. „Es ist der Song ,Weapons‘, der sich in Teilen oder anders aufgearbeitet auf allem wiederfindet, was wir veröffentlichen“, erklärt Frontmann Ryan Lott, aus dessen Solo-Projekt die Experimental-Band hervorgegangen ist, im KURIER-Gespräch. „Natürlich ist die Geistermelodie auch in unserer neuen EP ,Risk Of Make Believe‘ wieder enthalten. “

Wie immer weben Son Lux auf diese fünf neuen Songs aus Sound-Experimenten, gespielten Instrumenten und Lotts melodiösem Gesang atmosphärische Klangwelten, die sofort einnehmen. Ebenfalls wie immer ist alles, was zu hören ist, von Musikern auf Instrumenten gespielt – zumeist von Lotts Mitstreitern, dem Gitarristen Rafiq Bhatia und dem Drummer Ian Chang, seltener von Freunden.

Allerdings manipulieren die drei die Instrumente häufig. Ein Lieblingstrick des klassisch geschulten Lott ist, die Saiten seines Klaviers mit Klebepads zu bestücken, sodass sie anders klingen oder sich in der Tonhöhe ändern. Damit kann er zum Beispiel auf drei nebeneinanderliegenden Tasten die gleiche Note anschlagen. Son Lux speichern aber auch Sounds im Computer, zum Beispiel, wenn Chang Alufolie auf seinen Drums montiert hat. Der rasselnde Klang ist dann mit dem Keyboard in jeder Tonhöhe spielbar. So improvisiert das Trio viel und baut die Songs auf den neuen Sounds auf, die daraus entstehen.

Dass Son Lux nur eine EP veröffentlichen, sagt Lott, sei eine Reaktion auf das „Tomorrows“-Projekt, bei dem sie 2020 und 2021 eine Album-Trilogie veröffentlicht haben. „Eine EP gibt dir die Möglichkeit, experimenteller zu sein. Je mehr Teile sich zu einem großen Ganzen zusammenfügen müssen, desto mehr Einschränkungen hast du für jeden Song. Und bei ,Tomorrows‘ waren das über 33.“

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So reicht das Spektrum der EP von der melancholisch entrückten Stimmung des klassisch anmutenden „Don’t Say It’s Too Late“ bis zum mächtigen Rhythmus des Titelsongs „Risk Of Make Believe“. Lott über diesen Song: „Wenn du dich nie traust, große Visionen für dein Leben zu entwickeln, wirst du ihnen nicht nachgehen und dich immer fragen, was wäre, wenn? Das Risiko dabei ist, dass die Träume nie Realität werden. Aber das Risiko, wenn man keine Visionen hat, ist, am Totenbett zu bereuen, dass man so vieles nicht probiert hat.“

Endlose Möglichkeiten

In zwei Songs verwendet Lott die japanische Gedichtform Haiku. Denn er liebt es, nach Regeln zu arbeiten. Er begann nämlich als Komponist für die Tanzgruppe seiner Frau Jennifer und hat sich auch einen Namen als Filmmusikkomponist erarbeitet.

Son Lux waren 2023 für den Soundtrack zum Film „Everything Everywhere All At Once“ für den Oscar nominiert. „Ich empfinde es als befreiend, als Komponist die Einschränkungen zu haben, die mir diese anderen Kunstformen auferlegen. Wenn man nicht das ganze Spektrum von den endlosen Möglichkeiten des Musikmachens zur Verfügung hat, kommt man schneller auf überzeugende Ergebnisse. Aufgrund der Entscheidungen anderer – von Regisseuren oder Choreografen – komme ich auf Ideen, auf die ich so nicht gekommen wäre.“

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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