Möbel, Matratzen, Mobiltelefone: Aus der Luft entferntes CO2 kann in viele Produkte einfließen und Firmen helfen, Erdöl zu sparen.
Ein paar Kilometer außerhalb der finnischen Stadt Vaasa steht ein nagelneues Kraftwerk, in dem jährlich 200.000 Tonnen Müll verbrannt werden, um Fernwärme zu produzieren. Die Abgase werden von Schadstoffen befreit, künftig wird auch Kohlendioxid abgeschieden. Das Treibhausgas wird in einem vielstufigen Verfahren gefiltert und verflüssigt. Die Technik dafür liefert der österreichische Anlagenbauer Andritz. CO2 wird auf diese Weise aber nicht nur aus der Atmosphäre entfernt, es wird anschließend auch als Nebenprodukt verkauft.
WestenergyKohlendioxid: Vom Treibhausgas zum Rohstoff
Das Prinzip nennt sich „Carbon Capture and Utilization“ (CCU) und soll künftig einen wichtigen Teil der Kreislaufwirtschaft darstellen. Statt Kohlenstoff in Form von Öl und Gas tief aus der Erde zu holen, um damit Produkte herzustellen, soll er aus der Luft „eingefangen“ werden. Dadurch verringert man die Förderung fossiler Rohstoffe. Um den Klimawandel zu bekämpfen, sollte ein Teil des Kohlenstoffs auch wieder in den Boden gelangen und dort dauerhaft bleiben. Das nennt man dann „Carbon Capture and Storage“ (CCS).
CCU und CCS sind aber nicht nur eine gesellschaftliche Aufgabe, sie eröffnen wirtschaftlich neue Möglichkeiten. Das deutsche Start-up CO2BioClean verwendet CO2 etwa als Futter für Bakterien, die daraus Biopolymere herstellen. Daraus wiederum können biologisch abbaubare Verpackungen, Beschichtungen, Textilien, Möbel oder Autokomponenten produziert werden.
Effizientere Chemie
In der Chemie gibt es eine Vielzahl an Anwendungsbereichen, wie Verfahrenstechniker Andre Bardow von der ETH Zürich am Circular Carbon Economy Summit in Wien schildert: „Chemiker sind opportunistisch, sie nehmen für viele Prozesse den billigsten Kohlenstoff. Das war bisher Erdöl.“ Wenn man Erdöl mit CO2 ersetze, könnten viele Reaktionen aber effizienter ablaufen. Man kann damit etwa Kunststoffe wie Polyurethan herstellen und daraus etwa Matratzen fertigen. Auch Ethylen, nicht nur für Plastikflaschen ein wichtiger Ausgangsstoff, kann aus CO2 gemacht werden.
Die OMV stellt aus abgeschiedenem CO2 und Wasserstoff die Kunststoffe Ethylen und Propylen her. Daraus produzierter Kunststoff steckt zum Beispiel in Solarpanelen, Wasserleitungen, Smartphones oder Internetkabeln.
Stärkerer Beton
Das Schweizer Unternehmen Neustark mineralisiert CO2 in Abbruchbeton. Der wiederverwendbare Beton speichert das Gas dauerhaft. Es verleiht ihm mehr Druckfestigkeit. Hier wird CCU und CCS zu CCUS. Neben einem verbesserten Baumaterial erhalten Baustoffrecycler damit aber auch eine zusätzliche Einnahmequelle: Zertifikate für die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre.
Klimaneutraler Flugzeugtreibstoff
CO2 kann auch für die Erzeugung von Treibstoffen verwendet werden. In Kombination mit grünem Wasserstoff – gewonnen aus Elektrolyse von Wasser mittels Ökostrom – können so genannte E-Fuels hergestellt werden. Durch sie sollen künftig etwa Flugzeugtriebwerke CO2-neutral arbeiten. Für die E-Fuel-Produktion ist sehr viel Energiezufuhr notwendig. Aber auch das könnte sich eines Tages auszahlen.
Mit der Nutzung von aus der Luft gefiltertem CO2 alleine werde man die Welt nicht retten, sagt Bardow. „Aber bei der Kreislaufwirtschaft gibt es ja verschiedene Pfade, etwa mechanisches und chemisches Recycling oder die Nutzung von Biomasse. Wenn man alle zirkulären Technologien vereint, benötigt man weniger Kohlenstoff als heute. Mit dem Kohlenstoff, den wir aus der Erde ausgraben, gehen wir völlig verschwenderisch um.“
Source:: Kurier.at – Wirtschaft