Der Streif-Sieger über die Krise der ÖSV-Herren, Fehler in der Vergangenheit und warum er Matthias Mayer bei der WM in Saalbach sehen möchte.
Hannes Reichelt feierte in Abfahrt, Super-G und Riesentorlauf 13 Weltcupsiege, er war Weltmeister (2015) und gewann auf der Streif. Mit 40 Jahren beendete der Salzburger 2021 seine Karriere.
KURIER: Denken Sie denn noch wie ein Rennläufer?
Hannes Reichelt: Lustigerweise träume ich manchmal davon, dass ich beim Rennen zu spät zum Start komme. Aber grundsätzlich betrachte ich den Skisport heute aus mehreren Perspektiven. Bei den Interviews analysiere ich gerne die Aussagen und die Körpersprache. Dann gibt’s aber auch noch diesen Rennläuferblick, wenn die Athleten im Starthaus sind. Und da denke ich mir immer: Ich möchte da nicht mehr oben stehen.
Was ist und was war daran so schlimm?
Du stehst dort oben unter einem riesigen Druck. Wenn du etwa den Hubschrauber hörst und genau weißt, dass es wen geschmissen hat. Ich bin wirklich froh, dass ich mir die Abfahrten heute daheim auf der Couch ansehen kann.
War Ihnen damals das Risiko richtig bewusst?
Natürlich. Aber ich habe versucht, es auszublenden und wegzuschieben. Vor meiner Fahrt habe ich mir bewusst immer nur zwei Läufer angesehen und die waren gut ausgewählt. Athleten, die im Normalfall nicht stürzen, wie Didier Cuche oder Beat Feuz.
Martin Hofmann
Wie viel Zeit würden Sie heute auf der Streif verlieren?
Ich müsste mich zuerst gescheit einfahren und an die Abfahrtsski gewöhnen. Ich würde nämlich die Ski nicht bändigen können. Körperlich wäre es sonst kein Problem, die Fahrt würde optisch gar nicht so schlecht aussehen.
Apropos schlecht aussehen: Wie bewerten Sie die Saison des ÖSV-Herren-Teams?
Im Slalom sieht es nicht so schlecht aus. Manuel Feller ist extrem schnell und er schaltet auch nicht zurück, obwohl er öfter ausgefallen ist. Auch Fabio Gstrein macht eine gute Entwicklung durch. Marco Schwarz kommt auch immer besser in Form. Da bin ich optimistisch. Im Riesentorlauf fehlt uns schon seit längerer Zeit die Dichte.
Und in der Abfahrt?
Mit der Verletzung von Vincent Kriechmayr ist unser einziges Ass kein Trumpf mehr. Es wird sehr schwer für ihn, dass er fit wird. So eine Innenbandverletzung tut bei jeder Bewegung weh, und bei einem Rennen muss man zu 100 Prozent fit sein. Wenn man etwas Positives suchen will: Der Druck ist jetzt für ihn komplett weg. Aber es ist wie verhext in unserem Team, es kommt gerade alles zusammen.
Was heißt das für das Speed-Team bei der WM?
Es gibt Lukas Feurstein im Super-G, vielleicht geht es sich bei Raphael Haaser aus. Im Endeffekt müsste der ÖSV beten und hoffen, dass Matthias Mayer bei der WM nicht nur den Vorläufer macht, sondern richtig startet. Das wäre die beste Karte, die wir noch ziehen könnten. Mayer ist ein wilder Hund und braucht nicht viele Schneetage. Der stellt sich auf die Ski und ist schnell.
Österreichs Herren-Team wartet seit 26 Rennen auf einen Sieg. Woran hapert’s?
An der Basis, uns fehlen die Leute. Da wurden die Fehler schon vor zehn Jahren gemacht. Schon damals hat man gesehen, dass von unten nichts daherkommt. Nach mir sind nicht viele vorne reingefahren: Marco Schwarz, Raphael Haaser. …read more
Source:: Kurier.at – Sport