Die Wunderkammer aus der Dunkelkammer: Albertina modern zeigt Farbfoto-Pioniere

Kultur

Neo-Direktor Ralph Gleis startet seine erste Saison mit „True Colors“, einer Ausstellung über frühe Farbfotografie. Neben ihrem Technik-Fokus weist sie hohen Schauwert auf

Das Plakatmotiv und Maskottchen der Ausstellung wurde auf den Namen „Hansi“ getauft. Es ist ein grün-gelber Papagei. Besser gesagt: die Fotografie eines Papageis. Oder noch genauer: die Interferenzfarbfotografie eines Papageis, die ein gewisser Richard Neuhauss im Jahr 1899 herstellte.

Die Technik mit dem Zungenbrecher-Namen, das gibt auch Albertina-Fotokuratorin Anna Hanreich zu, ist ziemlich kompliziert. Sie basiert kurz gesagt auf demselben physikalischen Prinzip, das auch einen Ölfilm auf einer Regenlache farbig schimmern lässt – und sie ermöglichte es im Jahr 1891, bis dahin ungekannt leuchtende Farben dauerhaft festzuhalten. In der Schau „True Colors“ in der Albertina modern am Karlsplatz (bis 21.4.) wird das kleine Papageien-Bild in einer Vitrine präsentiert, als Betrachter muss man ein wenig hin- und herwackeln, um die richtige Perspektive zu finden.

AlbertinaGesammelte Eindrücke

Dieses akribische Erlebnis historischer fotografischer Preziosen hatte man in Wien zuletzt eher im Wiener Photoinstitut Bonartes, das Monika Faber, die erste Leiterin der Albertina-Fotosammlung, nach ihrem Abgang aus der Institution gegründet hatte. Unter ihrer Ägide kam 2000 auch das Archiv der „Graphischen Bundeslehr- und Versuchsanstalt“ an das Museum. Die „Graphische“ war im 19. und 20. Jahrhundert Versuchslabor für Fototechniken aller Art gewesen. Dass sich so viel Material zur Farbfotografie dort finden würde, überraschte Kuratorin Hanreich und ihre Kollegin Astrid Mahler, die den Bestand seit vielen Jahren bearbeitet, dann aber doch.

Albertina

Die Bilder, die die beiden Expertinnen nun aus dem Bestand gezogen haben, zeichnen einen Pfad der technischen Innovationen nach: Von frühen Porträts im Biedermeier-Look, denen man mit händischer Kolorierung Lebensnähe einzuhauchen versuchte, geht es zu Bildern, die durch die Ausarbeitung auf farbigen Papieren Atmosphäre erzeugen sollten (für Mondnächte empfahl sich Dunkelblau). Es folgen Erfindungen, deren Schilderung den Rahmen sprengen würde – wir sagen nur: Interferenzverfahren! Autochrom! Chromolithografie! In der Schau aber geben präzise Wandtexte ein grundsätzliches Verständnis dieser Techniken mit.

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Zu real! Zu künstlich!

Es gibt aber noch eine Dimension, mit der die Schau abseits des Technischen anspricht und verblüfft: Die Exponate verschieben nämlich ständig die Grenzen jener Kategorien, die wir als „Dokumentation“, als „Kunst“ oder als „Inszenierung“ zu definieren gelernt haben.

Die Dame mit dem Federhut, die uns aus einem Autochrom-Bild von (ca.) 1907 lebendig entgegenblickt, kannten wir bisher etwa nur aus Klimt-Gemälden. Ein Blumenstillleben des Fotografen Robert von Stockert wirkt wie ein Gemälde – nicht wie ein Foto von 1895. Die Wiener Porträts der Jahrhundertwende (ein Fiaker, ein Schrammelquartett) akzeptieren wir in Schwarz-Weiß – in Farbe scheint mit der zeitlichen Distanz etwas falsch zu sein.

Verkompliziert wird die Sache noch dadurch, dass frühe Fotografen oft danach trachteten, ihre Bilder möglichst nach Kunst aussehen zu lassen: Der Franzose Léon Vidal fotografierte etwa Schatzkammer-Objekte, sogenannte „Piktorialisten“ lehnten ihre Bildkompositionen bewusst an Gemälde an. Das sollte die Technik nobilitieren.

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Die Ausstellung nimmt diesen Faden geschickt auf, indem sie die technischen Innovationen selbst wie Wunderkammer-Objekte behandelt – und Motive zudem derart gruppiert, dass die Schau wie ein traditioneller Kunstsalon abgeschritten werden kann: von Ahnenporträts, Tier- und Landschaftsbildern hin zu Stillleben und Alltagsszenen. Den Vergleich …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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