
Thomas Gottschalk zählt die Sekunden runter. „Wo bleibt die ROMY“, ruft er.
Da war sein mit Spannung erwarteter Auftritt bei der ROMY-Gala in Kitzbühel schon weit vorangeschritten. Es war der erste seit dem „Bambi“-Eklat, wo er selbst sagte, gestolpert zu sein. Dementsprechend groß das Interesse, dementsprechend groß der Druck.
Und Gottschalk war auf der Bühne der ROMY Hall in Kitzbühel dann ganz der alte. Das kann man nicht umsonst auf zweierlei Arten lesen. Denn zur Reaktion auf Gottschalks Auftritt gibt es zweierlei zu sagen.
Behände lief Gottschalk die Rampe hinauf zur Bühne, und wer seine lange Karriere verfolgt hat (wer nicht?), der freute sich. Das verschmitzte Grinsen, das gelüpfte Sakko, die Frisur, die in Zukunft Dr. Bohl tragen wird, wie Gottschalk selbst am Roten Teppich zu dem Influencer und „Dancing Star“-Teilnehmer sagte. Die Diamant-ROMY ist ein Preis für ein einzigartiges Lebenswerk.
Dann fiel ein besonders wahrer Satz. „Morgen werde ich mich wieder entschuldigen müssen“, rief Gottschalk fröhlich ins Mikro. Denn Gottschalk, der mit dem gekonnten Umgang mit Medienmechanismen zum Star geworden ist, erlebt nun deren Kehrseite: Ein fallender Star ist in der Boulevard-Logik, die übrigens die gleiche ist wie die Social-Media-Logik, Gold wert. Dass „fallen“ halt relativ ist, spielt da keine Rolle. So tief, denkt man sich, kann der gar nicht fallen, dass er nicht immer noch über allen anderen thront.
Fortschreibung
So gut, denkt man sich aber auch, hätte Gottschalk den Kitzbüheler Auftritt gar nicht machen können, dass nicht von denen, denen das etwas nützt – Klicks, Likes –, die „Bambi“-Geschichte weitererzählt werden würde: Ein Star zeigt einen Moment der Schwäche, da wird dann nicht lockergelassen.
Was also geschah?
APA – Austria Presse Agentur
Gottschalk kam mit einem Deutschland-und-Österreich-Joke aus der Deckung, und für die, die sich nicht erinnern: Das war mal Kerngebiet des Eurovisions-Hauptabendhumors. Dann begann er, das zu tun, was Gottschalk wie kein anderer beherrschte: Er improvisierte drauf los.
Es lief die hochtourige Gottschalk-Maschine an – er kann immer noch nicht ruhig halten, zum Glück. Dem Laudator Otto Retzer (mit dem er etwa bei den „Supernasen“ zusammenarbeitete) wollte er ein paar Retzer-typische Filmtitel spendieren, kam aber mit dem ROMY/Thommy-Wortspiel nicht ganz zum Ende und verlief sich.
Als Gottschalk begann, die Sekunden des Counters herunterzuzählen, wird sich Stefan Raab im Publikum daran erinnert gefühlt haben, dass es Gottschalk war, der vor vielen Jahren schon die starren Mechanismen des Fernsehmachens als Erster ironisierte. Dann kam der Bergdoktor, der mit Gottschalk ein Selfie machte; schließlich war sie da, die erste Diamant-ROMY.
Gottschalk ging in großem Applaus ab.
kurier/Martin Stachl
Prompt ging im Boulevard das gespielte Erstaunen los, dass der Gottschalk von heute nicht der Gottschalk von gestern ist. Es barg die ROMY eine für eine Preisgala doch überraschende Einsicht: Angesichts der demographischen Entwicklung werden wir uns alle gemeinsam neu überlegen müssen, wie und wo man jemanden, der nicht mehr ganz auf der einstigen Höhe ist, einbucht. Wie man mit Menschen umgeht, die am Schluss ihrer Karriere eh schon mit einem Fuß bei der Tür draußen sind. Ob man sich mitaufregen will, wenn jemand jenes Nachlassen zeigt, das uns wohl alle mal ereilen wird.
Auf die …read more
Source:: Kurier.at – Kultur



