Sänger Asaf Avidan: „Es läuft immer auf die Angst vor dem Untergang hinaus“

Kultur
Montreux Jazz Festival 2022

„Ich werde untergehen. Ich weiß nicht wann, ich weiß nicht wie, ich weiß nicht warum. Aber ich werde nicht lügen, es schockiert mich wie jeden anderen.“

Mit diesen Zeilen eröffnet Asaf Avidan sein neues Album „Unfurl“, während ein Orchester und Jazzmusiker Vaudeville-Klänge aus den 30er-Jahren aufleben lassen. Sie gehen in üppige Filmmusik über, bevor hysterische Bläser die Harmonie zerreißen und Avidans Gesang in einen gehetzten Rap kippt, der die Angst vorm Tod bis in die Knochen spürbar macht. Weil der Song „I Don’t Know When, I Don’t Know How, I Don’t Know Why“ die Themen von „Unfurl“ perfekt zusammenfasst, hat der in Israel geborene, in Frankreich lebende Musiker ihn an den Anfang gestellt. Im KURIER-Interview bestreitet er aber, dass es ein Album über den Tod ist.

Halt in der Sinnlosigkeit

„Es geht um den Verlust des Selbst und des Egos, um die Panik, aber auch die Wunder, die damit einhergehen“, sagt er. „Natürlich ist der Tod Teil davon. Aber wenn man Dinge lange genug hinterfragt, hat am Ende jede menschliche Unternehmung mit dem Tod zu tun. Damit, dass wir Menschen intelligent genug sind, zu verstehen, dass wir sterblich sind, bedeutungslos und in unserem Selbst gefangen. Jeder großartige oder schreckliche Ismus, jede Kunst, jede Religion, jede Vater- und Mutterfigur ist dazu da, uns Halt und Bedeutung in der Sinnlosigkeit zu geben.“

EPA/CYRIL ZINGARO

Dass Avidan mit diesem vielschichtigen Werk tief in die menschliche Psyche eintaucht, hat gute Gründe. In den letzten Jahren kämpfte er mit Schreibblockaden und Panikattacken. Er ging in Therapie, meditierte, las Carl Gustav Jung und Bücher über Schamanismus und östliche Philosophien. Dabei, sagt er, habe er oft gespürt, wie sich die Grenzen zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein auflösen: „Es war fast wie ein schlechter LSD-Trip. Ich nehme keine Drogen, weiß das nur aus Erzählungen, aber es fühlte sich manchmal an, als würde ich mich komplett auflösen. Das war einerseits berauschend schön, aber manchmal auch ein Albtraum.“

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Zerflossen

Die Idee, diese Themen mit Filmmusik der 60er-Jahre zu illustrieren, kam ihm eines Abends auf seinem Anwesen bei Montolieu in Südfrankreich. Mit seiner Freundin Caterina Rinaldi betreibt er dort „Different Pulses“, einen Gnadenhof für Tiere, die in der „Fleisch-, Eier- oder Sport-Industrie“ den Tod finden würden. Sind die Tiere am Abend versorgt, schauen die beiden gemeinsam Filmklassiker.

EPA/MIRIAM THEUS

„Caterina hatte noch nie ,Vertigo‘ von Hitchcock gesehen. Da ist im Vorspann diese Spirale im Auge einer Frau, zu der eine spiralartige Melodie zu hören ist. Plötzlich kommen diese kratzigen, unharmonischen Bläser rein. Ich habe das Video sofort gestoppt und bin in mein Studio gegangen, weil ich wusste, wie mein Album klingen muss. Es brauchte den breiten Sound von Hitchcock- und David-Lynch-Filmen, der einnimmt, sich aber nicht ganz normal anfühlt.“

Liebeslieder

Auch Liebeslieder hat Avidan auf „Unfurl“ gepackt. Der 45-Jährige ist überzeugt, dass selbst die Liebe nur ein Mittel ist, dem Leben Sinn zu geben, indem man sich nicht so alleine fühlt. 

Was man auf „Unfurl“ nicht findet, sind Bezüge zum Konflikt in seinem Geburtsland. Dabei setzt er – anders als beim KURIER-Interview 2023 – jetzt lieber beim Hinterfragen bis zur letzten Konsequenz an.

„Ich kann …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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