Jagd auf Bodenschätze: Der Schlüssel zur Klimawende an Russlands Grenze

Politik
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Man muss schon genau hinsehen, um das unscheinbare, graue Bausteinchen zu erkennen, das Stéphane Séjourné etwas verlegen vor den Kameras in die Höhe hält. Die Bedeutung dieses Metallstücks aber macht der EU-Kommissar für Industrie in wenigen Worten deutlich: „Das ist ein Schlüssel für Europas Klimawende, für Windkraft, E-Mobilität …“

Blank poliert sind die Hallen, durch die Vasilios Tsianos, Vize-Chef des kanadischen Bergbauriesen NEO die Gäste aus Brüssel führt, die nagelneuen Maschinen geben ein sanftes, dumpfes Grollen von sich: Ein Vorzeigeprojekt, in das Europa Hunderte Millionen gesteckt hat, und das nach einer Bauzeit von knapp vier Jahren gerade in Betrieb gegangen ist.

Man hätte sich keinen symbolträchtigeren Ort für dieses Vorzeigeprojekt aussuchen können: Narva, im Osten von Estland, vom Werkstor bis zu den Panzersperren an der Grenze zu Russland sind es gerade einmal drei Kilometer. Drüben auf der russischen Seite hat Putin kürzlich plakatieren lassen, was er von dieser EU-Außengrenze hält: „Russlands Grenzen enden nirgendwo.“

APA/AFP/MARKO MUMM

Über Russland will Tsianos kein Wort verlieren. Er schaut lieber nach Westen, Richtung Europa. Fünf Millionen Tonnen Permanentmagneten produziert die Anlage in Narva – und zwar vertragsgemäß für die Industrie der EU-Länder. Die brauchen diese Magnete dringend. Ohne sie fährt kein E-Auto, dreht sich kein Windrad, bleibt die Aufholjagd, die sich Europa für seine klimafreundliche Industrie vorgenommen hat, stehen.

Chinas Monopol

Denn Neodym, der wichtigste Rohstoff, der in diesen Magneten steckt, ist weltweit Mangelware. So wie all die anderen seltenen Erden, die High-Tech-Produkte von Smartphones über Drohnen bis zu Nachtsichtgeräten für Soldaten funktionieren lassen.

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Mangelware, weil China sich eine globale Vormachtstellung beim Schürfen und bei der Aufbereitung dieser seltenen Erden geschaffen hat. Mehr als 90 Prozent des Bedarfs der europäischen Industrie kommen aus China – und das setzt diese Rohstoffe als politische Waffe ein. Exportsperren wurden verhängt, teilweise wieder aufgehoben. Europas Industrie bereitet sich auf Werksschließungen aufgrund von Lieferschwierigkeiten vor. Den Rüstungskonzernen hat China schon jetzt den Hahn zugedreht – und deren Vorratslager sind viel zu klein. Die Förderbänder dort könnten in wenigen Monaten stillstehen, kalkulierte vor wenigen Tagen die Wirtschaftsnachrichten-Plattform Bloomberg.

„Wir haben die Gewinnung und die Verarbeitung ausgelagert, weil es umweltschädlich ist, weil es Chemiefabriken sind und weil wir es nicht in Europa haben wollten“, macht der EU-Industriekommissar Schadensbegutachtung: „Jetzt müssen wir sie nach Europa zurückholen und uns zugleich verlässliche Partner anderswo sichern.“

Doch diese Partnersuche verläuft alles andere als gelassen. Weltweit jagen Industrieländer nach wertvollen Mineralien – und die seltenen Erden sind die meistbegehrten Schätze. Zwischen China, den USA und Europa wird ein Wettkampf um Lagerstellen und Produktionsanlagen ausgetragen, dabei werden politisch die Ellbogen ausgefahren und das Geld sitzt locker.

Vor der Nase weggekauft

Séjourné hat für die EU die Führungsrolle in diesem Wettkampf übernommen. Der Franzose lässt Pläne entwerfen, um neue Lagerstätten in Europa zu erschließen und die bestehenden rasch auszubauen.

RAIGO PAJULA

Sejourne mit dem Neodym-Permanentmagneten

 

Das behäbige Tempo, mit dem man in Brüssel solche Vorhaben üblicherweise einmal zu Papier bringt, um sie dann im Hin und Her zwischen den EU-Behörden zu Gesetzen zurechtzubiegen, wird hier nicht reichen.

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Wie schnell in diesem Wettlauf Entscheidungen getroffen, nein, erzwungen werden, hat Séjourné selbst vor zwei Wochen …read more

Source:: Kurier.at – Politik

      

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