
Alle paar Monate legen Österreichs Wirtschaftsforscher,- vom Wifo über das IHS bis zur OeNB – Prognosen vor, wie sich die heimische Wirtschaft in den folgenden Monaten bis Jahren weiterentwickeln dürfte. Publiziert werden auf die Kommastelle genaue Wachstumszahlen.
Die Regierung, aber auch private Unternehmen bauen darauf ihre Planungen auf. Die Realität hält sich allerdings in der Regel nicht daran und entwickelt sich oft sogar deutlich anders. Dafür gibt es gute Gründe.
„Das BIP ist ein sehr bewegliches Ziel“
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) – die jährliche Wirtschaftsleistung eines Landes – ist „ein sehr bewegliches Ziel“, sagt Wifo-Experte Marcus Scheiblecker. OeNB-Prognoseexperte Martin Schneider ergänzt: „Die Wirklichkeit ist ein hypothetisches Konstrukt.“ Daten bilden Realität nur bedingt ab; das BIP wird von Statistik Austria noch Jahre später revidiert. „Das BIP ist bis zum Schluss nur eine Schätzung – die immer besser wird“, so Schneider.
Gerhard Fenz, Leiter der OeNB-Konjunktur, schätzt, dass rund ein Viertel des Prognosefehlers aus späteren Revisionen stammt. Grundsätzlich liegt das Problem in Datenerhebung und Abbildung; alle 10 bis 20 Jahre wird das Berechnungskonzept überdacht, was wieder Neuberechnungen bringt.
Unerwartetes bleibt außen vor
„Schocks können wir nicht vorhersagen“, betont Scheiblecker. Holger Bonin (IHS) spricht von „Status-Quo-Schätzungen“: Modelle schreiben Gesetzmäßigkeiten fort, Unerwartetes wie Trumps Zollpolitik, der Ukraine-Krieg oder Corona bleibt außen vor. Entsprechend lagen die Prognosen 2020 weit daneben. Selbst bei absehbaren Vorhaben wie dem Strommarktgesetz ist es „eine Abwägungssache“, ob und wie sie einfließen, sagt IHS-Experte Sebastian Koch – zumal Politik auf Prognosen reagiert und damit Realität verändert.
APA / apaUnsicherheit durch Annahmen
Große Unsicherheit entsteht durch Annahmen: Ölpreis, Wechselkurse oder Auslandsentwicklung. „Das ist der größte Brocken beim Prognosefehler“, so Fenz – erwartbar für eine kleine, offene Volkswirtschaft. Manches deute darauf hin, „dass die Annahmen fast wichtiger sind als die Modelle“.
Alle Institute arbeiten mit mehreren Modellen und justieren mit Expertenwissen nach. Die Modellrechnung sei „ein erster Vorschlag“, sagt Scheiblecker; einmalige Ereignisse einzubauen bringt neue Unsicherheiten. „Modelle sind nie perfekt, sie können und sollen auch nicht alles abbilden“, fasst Bonin. Ergebnisse müssen zusammengeführt werden – „da kommt die Kunst der Konjunkturforschung dazu“. Eine Korrektur um einige Zehntelpunkte sei okay, „auch wenn manchmal ein Bauchgefühl mitspielt“, so Scheiblecker. Kurzfristig reichen Modelle ohne viel Interpretation; drei Jahre voraus sei „komplett im Dunkeln“, räumt Schneider ein. Die EZB braucht dennoch Werte für Stresstests.
Prognosen sind mehr als ein Zahlengerüst. „Es geht um eine Story“, sagt Schneider – etwa warum Konsum trotz Reallohnplus stockt, wie sich die Sparquote entwickelt oder wie Qualitätsverbesserungen in Chinas Industrie auf Exporte wirken. „Abgesehen davon, dass man wissen will, wo die Reise hingeht, ist die Prognose ein wichtiges Kommunikationstool“, so Fenz.
„Man muss von einer Planung ausgehen“
Trotz Unsicherheit ist die Prognose für Politik und Wirtschaft zentral. „Man muss von einer Planung ausgehen“, vergleicht Scheiblecker; Abweichungen ermöglichen Gegenmaßnahmen. Ein Zehntelpunkt mehr oder weniger sei wenig, wichtig seien Trends und Hinweise aus Detaildaten, so Bonin. Fenz betont: Politik kennt die Unsicherheiten, braucht aber Daten. Eingriffsmöglichkeiten in die kurzfristige Konjunktur sind begrenzt, warnt Bonin; strukturelle Maßnahmen sind sinnvoller.
Bessere Daten notwendig
Verbesserungen hängen an besseren Daten. Mehr Ressourcen für Statistik Austria wären „ein großer Wunsch an die Politik“, sagt …read more
Source:: Kurier.at – Wirtschaft



