
Als Barbi Markovic 2021 in ihrem Roman „Die verschissene Zeit“ auf den Jugoslawienkrieg zurückblickt, war die Welt noch relativ in Ordnung. Den hat sie mit Anna Laner für das Kosmostheater dramatisiert. Manche Momentaufnahmen vom Schauplatz Banovo brdo, einer Vorstadt von Belgrad des Jahres 1995, wirken in Imre Lichtenberger Bozokis kompakter Inszenierung mit Reportagen aus dem aktuellen Krieg in der Ukraine austauschbar.
Etwa, wenn die drei Helden Vanja (Tamara Semzov), ihr Bruder Marko (Aleksandar Petrović) und Kasandra (Simonida Selimović) aus der Roma-Siedlung nicht in ihrem Park abhängen können, sondern ihre Treffen in einen Bunker verlegen müssen. Der Krieg drückt wie eine drohende Wolke auf das Geschehen. Da ist der Terror der Bambalic-Zwillinge und die Gewalt, die der Vater Marko antut, noch das geringere Übel. Für die drei steht fest: sie wollen diesen Neunzigerjahren entkommen.
Bettina Frenzel
Markovic legt die Geschichte nach dem Abenteuer eines Disney-Comics an. Ihre drei Helden agieren auf eine gewisse Weise wie Donald Ducks Neffen, Tick, Trick und Track. Sie sollen dem Erfinder einer Zeitmaschine einen roten Porsche und ein Amulett mit einem Krokodil verschaffen. Ohne diese Utensilien würde sie das Gerät lediglich zwischen 1990 bis 1999 hin und herstreifen lassen. Dem Erfinder würde es reichen, damit in die jüngste Vergangenheit zu reisen, um den Jugoslawien-Krieg zu verhindern. So etwas Ähnliches hat Stephen King bereits 2012 in seinem Roman „Der Anschlag“ versucht, wo sein Held das Attentat auf John F. Kennedy vereiteln hätte sollen. Bei Markovic geschieht alles flotter.
Regisseur Imre Lichtenberger Bozoki schafft mit Vladimir Kostadinović und Jelena Popržan den idealen Begleitsound und trägt Markovics Comic-Stil Rechnung. Er lässt die Figuren bildlich durch die Zeit purzeln. Auf einer Großleinwand werden am Ende Bilder aus den ersten zwanzig Jahren des neuen Jahrtausends projiziert. Die sprechen für sich. Gespielt wird mit Verve. Simonida Selimović orgelt als Kasandra deftige Schimpftiraden, Aleksandar Petrović verkörpert glaubhaft den traumatisierten Marko, Tamara Semzov ist die traurige Erzählerin. Barča Baxant und Daniel Wagner übernehmen mehrere Rollen. Alle sprechen ganz natürlich mit dem Akzent aus ihren Herkunftsländern. Denkwürdige 95 Minuten, die demonstrieren, wie Theater Vergangenheit und Gegenwart abbilden kann.
Source:: Kurier.at – Kultur



