
Das Schwein war bei jedem Protest dabei, in unterschiedlicher Form und Größe: Als riesige, rosarote Pappmachee-Bastelei, als Zeichnung auf Plakaten und in Slogans: „Don’t feed the pig with your money!“, „Füttert das Schwein nicht mit eurem Geld!“, skandierten die Zehntausenden Protestierenden in Sofia. Das Tier diente als wenig schmeichelhafte Darstellung des von den USA und Großbritannien sanktionierten Oligarchen Delyan Peevski, dem Medien und Druckereien gehören, der Einfluss auf die Justiz nimmt und von fast jeder Regierung der letzten Jahre hofiert wurde. Er gilt bei vielen als der Inbegriff für die grassierende Korruption im Land.
Auch die Familie von Elena war bei den Protesten. Die 28-jährige Bulgarin lebt und arbeitet in Österreich und versteht den Frust: „Wir kriegen so viel Geld von der EU, aber es fließt nicht dorthin, wo es gebraucht wird.“ Statt ins Gesundheitssystem in die Taschen von Peevski, so der Vorwurf.
Kampf der Korruption
Der Unmut der bulgarischen Bevölkerung fand in den vergangenen Wochen seinen Weg auf die Straße und mündete in landesweiten Demonstrationen, die zu den größten gehörten, die Bulgarien je erlebt hat. Mitte Dezember folgte der Rücktritt der Regierung. Ausgerechnet in einer entscheidenden Zeit steht das Balkan-Land ohne starke politische Führung da: Mit 1. Jänner 2026 tritt Bulgarien der Euro-Zone bei, der Lew wird nach über 140 Jahren Vergangenheit. In regierungsnahen wie europäischen Medien wurden die Proteste auch als sich gegen die Euro-Einführung richtend und von russischen Desinformationskampagnen verbreitet dargestellt.
APA/AFP/NIKOLAY DOYCHINOV
Ein Demonstrant hält während einer Anti-Regierungs-Demonstration in Sofia am 1. Dezember 2025 ein Plakat mit dem Bild des bulgarischen Politikers Delyan Peevski hoch.
Ganz so stimmt das nicht, sagt Atanas Pekanov, Ökonom beim Wifo und Vizepremier Bulgariens zwischen 2021 und 2023: „Organisatoren waren die Opposition, klar pro-europäische und liberale Kräfte“ – wiewohl die Proteste sehr heterogen waren und sowjet-nostalgische Euro-Skeptiker wie junge Pro-Europäer zusammenbrachten. Das verbindende Motiv: die Wut über das Budget der Regierung für 2026, das Staatsausgaben in Rekordhöhe durch höhere Steuern finanzieren sollte, und die Befürchtung, dass das öffentliche Geld in den Taschen der Oligarchen landen würde.
Gespaltene Bevölkerung
Was die Euro-Einführung angeht, ist die Bevölkerung gespalten. Eine Hälfte fürchtet höhere Preise und weniger Entscheidungsmacht bei Geldpolitik, die andere betont den Wegfall von Wechselkursrisiken und Transaktionskosten für Touristen und Diaspora, bessere Investitionsbedingungen und die europäische Integration. Für die einen ist der Euro-Beitritt ein Abtritt von Souveränität, die anderen hoffen auf mehr Kontrolle durch die EU und eine Möglichkeit zur Eindämmung der Korruption.
Pekanov ist davon überzeugt, dass die Vorteile der Euro-Einführung gegenüber den Nachteilen und Befürchtungen überwiegen.
Unbestritten ist, dass in einigen EU-Ländern wie zuletzt in Kroatien nach Einführung des Euros die Preise für alltägliche Güter wie Kaffee oder Brot angestiegen sind. Aber: Auch die Löhne sind gestiegen, erinnert der Ökonom. „Kroatien hatte Pech“, sagt Pekanov, „sie sind 2023 in die Euro-Zone gekommen, als die Inflationsrate im ganzen Euro-Raum hoch war“ – nämlich 9,2 Prozent im Jänner 2023. Das hat die Preise in Kroatien besonders stark ansteigen lassen, die negativen Folgen des Euro-Beitritts prägten die Wahrnehmung. Heute ist sie weitaus niedriger, im November betrug sie 2,1 Prozent. Und: Die Inflation hatte …read more
Source:: Kurier.at – Politik



