Beethovens „Fidelio“ an der Staatsoper: Liebe unter Puppen

Kultur
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55 Jahre ist es her, dass Beethovens „Fidelio“ zuletzt von der Wiener Staatsoper als Neuproduktion auf die Bühne gebracht wurde: im Rahmen der Wiener Festwochen im Theater an der Wien (heute leider unvorstellbar), inszeniert von Otto Schenk, dirigiert von Leonard Bernstein, gesungen von James King, Gwyneth Jones, Karl Ridderbusch, Theo Adam etc. Erst danach übersiedelte die Produktion ins große Haus am Ring und wurde legendär. Zumindest eine ganze Generation von Opernliebhabern kennt also an der Staatsoper nur diese Optik.

Nun gab es einen neuen Versuch, in der Inszenierung des Regisseurs, Puppenspielers und Kunstpfeifers Nikolaus Habjan. Dass „Fidelio“ in seiner vermeintlichen Einfachheit und tatsächlichen Komplexität besonders schwierig umzusetzen ist (und nur selten szenisch glückt), wurde auch diesmal bewiesen. Die neue Produktion sieht vielleicht nicht so aus, als wäre sie 55 Jahre alt, wesentlich jünger aber auch nicht.

Wiener Staatsoper/Stephan Brückler

Dennoch gehört es zur Aufgabe eines zeitgemäßen Operntheaters, solche Kernwerke des Repertoires regelmäßig zu hinterfragen, bei allen Risiken.

Apropos zeitgemäß: Habjan bettet die Geschichte von Unterdrückung, willkürlicher Gefangennahme und Gattenliebe in keine Epoche ein, er verweigert sogar explizit einen zeitlichen Kontext. Das mag das Stück szenisch zwar länger gültig machen (die Gefahr, dass diese Inszenierung 55 Jahre überlebt, ist nicht gegeben), hat aber einen wesentlichen Nachteil. Es wird nicht einmal im Ansatz erklärt, aus welchem Umfeld der böse Pizarro kommt, warum die Handlung so bedrohlich ist, warum Leonore Kopf und Kragen riskiert und die Freiheitsbotschaft am Ende besonders wichtig ist. Es gibt szenisch zu wenig Spannung, zu wenig Kraft, zu wenig Dramatik. Moniert in diesem Fall jemand, der Habjans Arbeit grundsätzlich schätzt, diesfalls aber enttäuscht wurde.

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Das liegt auch an dem von Habjan stets eingesetzten Stilmittel, seinem Markenzeichen, der Verwendung von Puppen. Diesmal doubelt er die Protagonisten Leonore und Florestan mit seinen Kreationen, stellt also deren Alter Egos auf die Bühne. Leonore II und Florestan II werden von Puppenspielern gemimt, die die großen Gesichter bewegen, als würden sie singen (und manchmal auch selbst sprechen). Es ist also selbst in jenen Momenten, in denen Einsamkeit oder Intimität dominieren sollte, ziemlich viel los in dieser Beziehung. Prinzessin Diana hätte einst gesagt: Da waren zu viele in dieser Ehe.

Die Puppen bringen kaum neue Erkenntnisse und lenken ab. Schon beim Quartett im ersten Aufzug fragt man sich, warum Leonore diese seltsame Figur neben sich stehen hat. Bei der Szene, bei der die zwei Liebenden einander im Kerker erkennen, herrscht kaum Magie. Die Demaskierung Leonores (auf ihre Maske und die Hosenrolle bezieht sich ja offenbar der Grundgedanken der Realisierung mit Puppen) findet kaum statt. Schön ist es beim Finale, wenn Leonore und Florestan endlich nach vorne gehen und die Puppen hinten stehen lassen. Da scheinen die Schmetterlinge kurz fliegen zu lernen.

Die Idee, Solisten zu spiegeln, ist insgesamt schön, geht aber hier nicht auf, auch weil sie inkonsequent in der Umsetzung bleibt. An William Kentridges Puppenspiel sollte man lieber nicht denken. Auch die Doppelung der Protagonisten durch Tänzer hat schon wunderbar funktioniert, etwa in Paris bei „Così fan tutte“ mit der Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker. Hier bleibt es leider Stückwerk.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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