Brasiliens Oscarbeitrag: Ein Tritt mit dem haarigen Bein

Kultur
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Schon als Kind war Kleber Mendonça Filho fasziniert von dem Film „Der weiße Hai“. Er war gerade einmal sieben Jahre alt, als Spielbergs Schocker 1975 in die Kinos kam. Zwar sah er damals nur das Filmposter und zwei Filmbilder, „trotzdem habe ich mich zu Tode gefürchtet“, erzählt der gefeierter brasilianische Regisseur im KURIER-Gespräch: „Der Film war ein kultureller Meilenstein der 1970er-Jahre. Außerdem stamme ich aus der brasilianischen Stadt Refice: Dort haben wir wunderschöne Strände und ein Hai-Problem.“

Einer der vielen Gründe, warum der Hai in Kleber Mendonça Filhos exzellentem Politthriller „The Secret Agent“ (derzeit im Kino), der im Jahr 1977 spielt, im wieder auftaucht – und sei es in Form eines abgebissenen Beins, der im Bauch eines toten Haifisches gefunden wird.

Brasiliens heißer Anwärter für den Auslandsoscar „The Secret Agent“ wurde bereits in Cannes mit Preisen überhäuft. Mendonça erhielt die Auszeichnung als bester Regisseur, sein brasilianischer Star-Schauspieler Wagner Moura, bekannt aus der Netflix-Serie „Narcos“, wurde zum besten Darsteller gekürt.

Tatsächlich aber ist „The Secret Agent“ kein klassischer Politthriller. Es ist nicht einmal klar, wer der titelgebende Geheimagent überhaupt sein soll. Klar ist nur, dass Wagner Moura einen Mann spielt, der auf der Flucht ist. Er heißt Marcelo, ist Technikexperte, und unter der Militärdiktatur in Konflikt mit einem Industriellen geraten. Schäbige Polizisten und lakonische Kopfgeldjäger haben sich an seine Fersen geheftet und trachten ihm nach dem Leben.

In einem knallgelben VW-Käfer fährt Marcelo nach Recife, wo sein kleiner Sohn bei den Schwiegereltern lebt. Dort wird er von einer Gruppe politischer Dissidenten im Untergrund aufgenommen und versteckt.

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Filmladen/Victor Juca

Gefeiert: Brasiliens Regisseur Kleber Mendonça Filho. 

„Brasilien ist ein wunderbares Land und hat eine großartige Kultur“, sagt Mendonça: „Aber ein Aspekt ist tief im brasilianischen Leben verwurzelt, und das ist die Ungerechtigkeit. Diese Ungerechtigkeit ist bedingt durch Klassenunterschiede, Rassismus und die Macht einer weißen Elite. Viele Geschichten wurden über Menschen erzählt, die verschwunden sind oder deren historische Spuren ausgelöscht wurden. Ich finde das unglaublich traurig, und diese Thematik hat mich sehr beschäftigt.“

Gewalt und Groteske

Der Auslandsoscar 2025 ging an den Film „Für immer hier“ von Walter Salles. Auch er erzählt von den Jahren unter der brasilianischen Militärdiktatur, von Verschleppungen und Polit-Morden. Doch während Salles ein emotionales Drama inszenierte, spielt Mendonça mit unterschiedlichen Vokabeln des Kinos: Er vermischt Thrillerelemente mit Polit- und Familiendrama, unterfüttert mit schwarzem Humor und Science-Fiction, Gewalt und Groteske.

So wandert plötzlich ein „Hairy Leg“ – ein haariges Bein – in bester B-Movie-Trash-Manier durchs Bild und verprügelt Menschen: „Zwei Journalisten haben in den Jahren 1975 und 1976 das ,Hairy Leg’ erfunden: Ein einzelnes Bein, das vor allem Menschen in der Queer-Community verprügelte“, erklärt der Regisseur diese kuriose Filmszene: „Natürlich wusste jeder, dass es kein ,Hairy Leg’ gibt, sondern die Militärpolizei damit gemeint war. Aber das durfte nicht ausgesprochen werden. Ich erinnere mich noch daran, wie meine Mutter aus der Zeitung darüber vorgelesen hat.“

Filmladen/Victor Juca

Wagner Moura in „The Secret Agent“.

Den Lokalkolorit der 1970er-Jahre lässt Mendonça in leuchtenden, fetten Farben entstehen. Marcelos gelber Käfer hat besondere Signalwirkung: „Der deutsche VW-Käfer zählte vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren und zu den beliebtesten …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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