„Akins Traum“ am Burgtheater: eine grelle Geschichtsstunde mit ein paar „Nona“-Momenten und einem tollen Hauptdarsteller.
„Du weißt nicht, was du bist, Moslem, Christ, oder Atheist, Beschiss, Beschiss, Beschiss.“
Im Grunde ist das die Essenz von „Akins Traum“ von Akın Emanuel Şipal, einem Auftragswerk für das Schauspiel Köln, bei dem Stefan Bachmann Regie führt und das er als nunmehriger Burgtheaterdirektor mit nach Wien gebracht hat. Am Sonntag war Premiere.
Es handelt von einem jungen Mann zwischen vielen Welten. Türke in Gelsenkirchen. Jungvater und Autor, der sich lieber mit Peter Handke und Elfriede Jelinek über den Literaturnobelpreis als mit seiner Frau über Feuchttücher unterhalten würde. Und vor allem: Was heißt schon Türke. Schließlich hat er eine Großmutter aus Schlesien. Und als „Türke“ dann auch irgendwie ein schlechtes Gewissen, was muslimischen Antisemitismus betrifft. Das Thema wird mehrfach erwähnt, nicht immer plausibel. Jedenfalls nennt sich der Mann mit den vielen Identitäten konsequenterweise „Alter Ego“.
Dieses Autoren-Alter-Ego, überzeugend dargestellt von Mehmet Ateşçi, hat also eine „Wer bin ich“- Krise. An der Kassa des Drogeriemarkts (wo er Feuchttücher kaufen soll) überkommt ihn, während er über einem neuen künstlerischen Vorhaben, das irgendwas mit Herkunft und Identität zu tun haben soll grübelt, ein Traum, der ihm aus der Krise helfen wird.
Tommy Hetzel
Mehmet Ateşçi als „Alter Ego“
Der Traum führt vom Arbeiter-Gelsenkirchen zurück ins 13. Jahrhundert zu den Anfängen des Osmanischen Reichs. Erzählt und zugleich dargestellt wird dieser Traum von Melanie Kretschmann in einem Paillettenanzug, wie man ihn schon tausendmal gesehen hat und trotzdem immer noch nicht überzeugend findet.
Es folgt eine schrille, trotzdem von Längen gezeichnete Revue mit Darstellern in historisch angehauchten Fantasy-Kostümen, die eine Leidenschaft für Glitzer ausdrücken (Adriana Braga Peretzki) auf einer leeren Bühne, über der Leuchtstäbe je nach Szene höher oder niedriger hängen (Bühne: Olaf Altmann). Warum? Warum nicht. Toll ist allerdings das sprechende Halb-Pferd im goldenen Glitzer-Gewand.
Tommy Hetzel
Sprachlich („ficken“ kommt in einer Ahnen-Schau natürlich zwangsläufig oft vor) und im Vortrag wirkt das Ganze stellenweise sehr brachial. Der Inhalt gerät dafür etwas unterkomplex: Dass die Türken einst vor Wien standen, kommt für Wiener nicht sehr überraschend. Unoriginell ist diese Geschichtsstunde trotzdem nicht, man fragt sich allerdings, ob hier nicht manches verklärt wird. Waren Frauen wirklich so dominant im Osmanischen Reich?
Und immer wieder fragt man sich auch, ob das Burgtheater der richtige Ort für dieses Stück ist, das doch einen sehr didaktischen Hintergrund zu haben scheint.
Am Ende ist der Protagonist mit seiner Geschichte mehr oder weniger versöhnt, denn er ist draufgekommen: Eben die Zwischenwelt, mit der er so hadert, ist die Welt, in die er gehört. Nicht unähnlich Mira Lobes Geschichte vom „Kleinen Ich-bin-Ich“. Zur Untermauerung der Ich-bin-Ich-These kommt dann noch die schlesische Oma auf die Bühne und als der der Identitätskrise Entkommene dann ein türkisches Lied anstimmt, wird’s wirklich berührend. Zuseher, die des Türkischen nicht mächtig sind, können, sofern sie ihre Brille nicht daheim vergessen haben, den deutschen Text auf einer dezenten LED-Leiste über der Bühne mitlesen. Der Rest des Abends verläuft auf Deutsch mit türkischen Übertiteln.
KURIER-Wertung: 3 von 5 Sternen
Source:: Kurier.at – Kultur