Das reproduzierte Meisterwerk: MAK zeigt Bücher als Kunstwerke

Kultur
MAK Turning The Page

In den „Fiktionen“ des argentinischen Autors Jorge Luis Borges (1944) findet sich die Geschichte des – erfundenen – Autors Pierre Menard, der sich daranmacht, den „Don Quijote“ neu zu schreiben. Dabei will er die berühmte Geschichte von Miguel de Cervantes aus dem 17. Jahrhundert nicht kopieren oder nachempfinden: Seine Version ist mit jener von Cervantes Wort für Wort ident – und doch etwas ganz anderes.

Das gibt Stoff zum Nachdenken: Kann ein formgleiches Kunstwerk an zwei Orten, an zwei Zeitpunkten, von der Hand zweier Personen entstehen? Worin liegt dann das Gemeinsame, worin der Unterschied?

An einem anderen Ort

In der Schau „Turning Pages. Künstler*innenbücher der Gegenwart“ im MAK gibt eine große, gläserne Vitrine solchen Gedanken Raum. Nur ein Büchlein mit marmoriertem Umschlag liegt darin – ein „Don Quijote“, nur ist hier die US-amerikanische Künstlerin Elaine Sturtevant (1924–2024) als Autorin ausgewiesen. Sturtevant ist die Ahnherrin der „Appropriation Art“, der Kunst der Aneignung, sie machte die von Borges skizzierte Idee zum Werkprinzip und schuf Werke, die solchen von Andy Warhol oder Roy Lichtenstein aufs Haar ähneln.

Schnell beschleicht einen der Verdacht, dass die MAK-Schau selbst eine elaborierte Konzeptkunst-Installation ist – auch wenn Kuratorin Bärbel Vischer erklärt, dass sie lediglich einen Einblick in die Bedeutung von Künstlerbüchern und die dahinterstehenden Prozesse geben wolle.

Michael HuberVerdopplungen

Doch ist es ein Zufall, dass zwei weitere Exponate in der Schau Verdopplungen an unterschiedlichen Orten zum Thema machen? In einer Vitrine ist Ed Ruschas Foto-Leporello „Every Building on the Sunset Strip“, ein Hauptwerk der Konzeptkunst von 1966, zu sehen – und quer durch den Saal die Bildstrecke „Ginza Kawai/Ginza Haccho“, in der die Japaner Yoshikazu Suzuki und Shohachi Kimura bereits 1954 Tokios Shoppingbezirk Ginza in derselben nüchternen, interpretationsfreien Weise dokumentiert hatten.

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Spukhafte Fernwirkung nennen die Quantenphysiker so etwas wohl. Vielleicht heißt das Gespenst hier auch Andreas Reiter Raabe: Der Künstler und Buchsammler fungiert als ein Hauptleihgeber der Schau, stellt aber weniger sich selbst als sein intellektuelles Netzwerk dar.

Künstler*innenbücher – definiert als Druckwerke, die sich selbst als Kunstwerk verstehen und nicht dokumentieren oder erklären, wie das etwa Ausstellungskataloge tun – sind darin Eck- und Knotenpunkte.

MAK/Christian MendezBücher als Kunstsparte

Auch wenn es einen Sammlermarkt für die Druckwerke gibt – mit limitierten Auflagen, Raritäten und Künstler-Signaturen – ist der Originalitätskult in dieser Kunstsparte nicht zentral. Als technisch reproduziertes Kunstwerk ging das Künstler*innenbuch ab den 1960ern eine logische Verbindung mit der Pop-Art ein und florierte mit der Konzeptkunst, bei der die Idee die Priorität gegenüber der Ausführung übernahm.

Die MAK-Schau illustriert dies üppig – mit Werken von Andy Warhol, Robert Rauschenberg oder John Baldessari; die österreichische Ausprägung wird u. a. von Heimo Zobernig, Heinrich Dunst oder Ernst Caramelle bestritten. Wer schon ein Faible für das Medium hat, wird sich in der elegant gestalteten Schau lustvoll vertiefen können. Dass Einsteigerinnen und Einsteiger einen Zugang finden, bleibt zu wünschen.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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