Demoliert hinter Grinzing am Berg: Nachruf auf eine Künstler-Villa

Kultur

Mit dem Kasimir-Haus und einem Relikt der Wiener Weltausstellung 1873 verschwand an einem Ort in der Himmelstraße ein Stück Stadtgeschichte

Es war einmal der Traum von einem reizenden Landhaus, versteckt in einem verwunschenen Blumengarten. In der Himmelstraße 40-42 zwischen Grinzinger Heurigen und Wienerwald standen heuer im April die Bagger bereit. Beim Lokalaugenschein des KURIER war das historistische Künstlerheim mit Schindeldach, Giebeln, Rundbögen und hohen Kaminen bereits devastiert, der Abriss besiegelt, ein Stück Stadtgeschichte ausradiert.

Geboren in der Monarchie im untersteirischen Pettau, Österreich-Ungarn, heute Ptui in Slowenien, hatte sich der Lithograf, Radierer und Kupferstecher Luigi Kasimir (1881-1962) hier nach dem Kunststudium in Wien angesiedelt.

Werner RosenbergerDekorative Stadtveduten

Einerseits war er mit detailgetreuen Stadtansichten von München, Hamburg und Florenz bis New York und vor al-lem das nostalgische Alt-Wien-Bild prägenden dekorativen Motiven („Am Hof“, „Stephansdom“, „Hofburg“ u. a.) einer der produktivsten und bekanntesten österreichischen Grafiker, der eine eigene Technik – die Mehrplatten-Farbätzung – entwickelte. Bis in die 1970er-Jahre wurden in Österreich bei Staatsbesuchen seine Radierungen als „Gastgeschenk“ überreicht.

Andererseits war er ein Nationalsozialist der ersten Stunde und Arisierungsprofiteur von schmutzigen Geschäften mit geraubten Kunstwerken, 1946 wegen Betrugs und illegaler NSDAP-Mitgliedschaft zu 18 Monaten schwerem, verschärftem Kerker verurteilt und aufgrund eines Leberleidens 1947 vorzeitig entlassen.

Mit Johanna „Tanna“ Hoernes (1887–1972), der Tochter des Geologen Rudolf Hoernes, hatte Luigi drei Söhne, von denen Robert „Raoul“ Kasimir (1914-2002) als Künstler die Familientradition fortsetzte.

Werner Rosenberger

Ab den 80er-Jahren lebte der Kasimir-Enkel Georg Djore Kasimir, Sohn eines deutschen Architekten aus Darmstadt und einer kroatischen Dolmetscherin, im Haus, in dem sein Großvater gewohnt hatte und gestorben war: „Ich wollte nicht allein sein und gründete eine Wohngemeinschaft.“

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Im lebhaften Kommen und Gehen war u. a. eine zeitlang auch Kärnten in Döbling prominent vertreten mit den Jazz-Musikern Wolfgang Puschnig und Uli Scherer.

Der Mikrobiologe und Gewässerforscher, bei der Akademie der Wissenschaften und im Gesundheitsamt der Stadt Wien (Institut für Umweltmedizin) angestellt, war zuletzt in der Forschung und in der Konsumenten-Information engagiert. Einen großen Teil seines Lebens verbrachte der 70-Jährige dabei in Spanien und kennt sich bestens aus mit den Entwicklungen und Problemen Kataloniens. „Über den Auftrag, die Wasserqualität der Mittelmeer-Küsten um Barcelona zu prüfen, lernte ich durch viele Reisen auch ganz Südamerika kennen, einen Kontinent, der mir besonders ans Herz gewachsen ist“, sagt Kasimir im KURIER-Gespräch.

Wien Museum OnlineGartenhaus

Nebenan auf dem Grundstück in Döbling stand ein historisch ebenfalls interessantes Gebäude in Holzarchitektur: das „Geydelerhaus“, ein auf Kosten der Preßburger Handels- und Gewerbekammer für die Wiener Weltausstellung 1873 gezimmertes Bauernhaus.

Im Prater abgetragen und in Grinzing wieder aufgebaut, bewohnte es die Cembalistin Marinka Brecelj 27 Jahre lang, teils mit der Imkerin Hildegard Burgstaller, die sich in ihrem Werkraum Honig in Heiligenstadt mit Wehmut an den Ort erinnert, der seine Patina verloren hat: „Mein Herz blutet.“

Werner Rosenberger

„Vor dem Verkauf 2019 gab es sogar einmal die Idee, das Holzhaus eventuell am Semmering aufzustellen“, sagt Kasimir. Ein Stück Stadtgeschichte zu bewahren? Denkmalamt und Baupolizei winkten ab. MA 37 und Bagger hatten das letzte Wort.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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