Die Malerin Rachel Ruysch und die Schönheit des Wissensdursts

Kultur

Eine Ausstellung in München stellt die Künstlerin vor, die um 1700 ein Star war. Ihre Stillleben erzählen viel über Wissenschaft und globale Vernetzung

Es ist eine ruhige, gediegene Ausstellung: An dunkelgrünen Wänden hängen detailliert gemalte Bilder von Blumen und Früchten, manche unterscheiden sich auf den ersten Blick kaum voneinander. Der Verdacht, dass die weltweit erste große Werkschau der Malerin Rachel Ruysch in der Alten Pinakothek in München eine antiquierte Sache werden könnte, schleicht sich nach dem Auftaktsaal kurz ein. Doch er wird spektakulär widerlegt.

Dass der Ausstellung daran gelegen ist, einen wichtigen, über Jahrhunderte vernachlässigten weiblichen Beitrag zur Kunstgeschichte zu würdigen, wird an keiner Stelle groß hinausposaunt. Doch die Einsicht von Ruyschs Bedeutung ergibt sich ganz von selbst, wenn man erst begriffen hat, dass ihre üppigen Bilder nicht einfach Dekorationsstücke waren: Vielmehr sind es raffinierte Wiedergaben eines Forschungs- und Wissensdrangs, der zu Lebzeiten der Künstlerin eine Blüte erlebte.

Plötzlich werden also die oberflächlich ähnlichen Pflanzenarrangements zu botanischen Kompendien, aber auch zu kleinen Theater- oder Musikstücken – denn die Blumen folgen bestimmten Farbakkorden, haben einen ganzbestimmten Schwung (meist lässt sich eine „S“-Form im Bild erkennen) – und in den Blättern, an den Rändern, auf den Böden spielen sich oft kleine Öko-Dramen ab.

Blumenstillleben in einer GlasvaseKünstlerische Forschung

Rachel Ruysch (1664 – 1750) wurde in ein Netzwerk künstlerischer und wissenschaftlicher Ambition hineingeboren: Ihr Vater war der Arzt, Anatom und Botaniker Frederik Ruysch, der nicht nur erster Direktor des botanischen Gartens in Amsterdam war, sondern auch ein Verfahren entwickelte, um menschliche Leichen mithilfe chemischer Materialien „lebensecht“ zu konservieren: Sein „Museum“ war eine Attraktion und ein frühes Beispiel jener Anatomie-Schaustellungen, in die sich später das Wiener Josephinum ebenso einreihte wie die „Körperwelten“-Wanderspektakel heute.

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Rachel Ruysch machte es sich zum Markenzeichen, besonders exotische, den Zeitgenossen oft unbekannte Gewächse in ihre üppigen Arrangements einzubauen: Ein Porträt aus dem Jahr 1692 zeigt sie über Pflanzenbücher gebeugt, eine seltene Blüte zwischen den Fingern. Im prachtvollen Katalog der Schau wird detailliert ausgeführt, wie sich Ruysch dabei in einer Gemeinde der Forschung und Liebhaberschaft bewegte, in der Frauen ganz zentrale Rollen spielten: Die Amsterdamer Patrizierin Agnes Block, die einen gerühmten Garten mit Treibhäusern anlegte, war etwa Ruyschs Nachbarin und beschäftigte zahlreiche Zeichnerinnen, bekannt wurde Maria Sibylla Merian. Angemerkt wird aber auch, dass der Naturkunde-Boom auch eine Folge des holländischen Kolonialismus war und der Import der Pflanzen aus Territorien wie Surinam wohl nicht ohne Sklavenarbeit ablief.

Auch ohne die etwas bemüht zeitgeistigen Vermittlungstools der Ausstellung („Zeichnen Sie eine Blume, die KI macht was draus“) weht also viel gegenwärtiger Geist aus den Blumenstücken. Nicht zuletzt, weil Ruyschs Biografie so gar nicht dem Klischee der zurückhaltenden Feinmalerin entsprechen will.

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Mit der Aufnahme in die Malergilde von Den Haag 1701 und der Berufung zur Hofmalerin von Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz in Düsseldorf im Jahr 1708 erlebte Ruysch Karriereschübe – in der Schau lassen sie sich an größeren Formaten und ambitionierteren Arrangements ablesen. Dass ihre Gemälde im europäischen Hochadel zur heißen Ware avancierten, verrät die Herkunft vieler Werke – die Sammlung Liechtenstein steuert …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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