Künstlerin Deborah Sengl inszenierte für das Strauss-Festjahr einen Rätsel-Parcours mit Kunstobjekten. Der KURIER spielte ihn durch
Was soll das „Perpetuum mobile“, das sich da an der Wand dreht, wenn man den Eingang endlich gefunden hat zu diesem „Escape Room“, der auch Kunstanspruch hat? Als eines der ersten Projekte des offiziellen Johann Strauss-Festjahres wurde er kurz nach Jahresbeginn gelauncht, in seinem Versteck an der Rückseite des Wiener Museumsquartiers gehört er aber nicht unbedingt zu den sichtbarsten aller Programmpunkte.
Es dreht sich also, dieses Rad, und nur Kenner werden die Anspielung auf das Stück „Perpetuum Mobile“ von Johann Strauss Sohn (op. 257, 1861, „Ein musikalischer Scherz“) gleich mitbekommen. Für Laien – dazu zählen an diesem kalten Winterabend Ihr Rezensent und seine zwei Söhne, 12 und 15 Jahre – ist es zunächst einmal: ein Spiel.
Zweifel eines Genies
Konzipiert wurde „Schatten des Zweifels – im Kopf des Genies“ von der Künstlerin Deborah Sengl, die bereits zweimal Escape Rooms in Kooperation mit dem Anbieter „Timebusters“ realisierte. Sengl schuf für das Ensemble, in dem Spiegel, Dioramen und bewegliche Elemente eine Rolle spielen, eigens Skulpturen, Zeichnungen, Gemälde. Als Kunstausstellung erschließt sich das Arrangement aber nicht wirklich. Die jungen Co-Rezensenten sind für museale Angebote auch reichlich schwer zu begeistern.
Das Spiel allerdings funktioniert, von ein paar technischen Problemen mal abgesehen, wunderbar: Es gibt Zeichen zu dekodieren, Objekte in eine Reihenfolge zu bringen, mit seltsamen Geräten (an einem Punkt begegnet ein Wählscheibentelefon, für die Generation Alpha ein völlig exotisches Objekt) in ein System einzugeben. Ein gelöstes Rätsel gibt den kurzen Belohnungskick, den stille Gemälde in dieser Form nicht parat haben. Hinter den Kulissen sitzen, wie in Escape Rooms üblich, Beobachter und Begleiter, die nötigenfalls auch mit Tipps via Walkie-Talkie weiterhelfen.
Kaninchenbau
Dass der Escape-Room kein Strauss-Lehrpfad werden sollte, hatten Sengl und Festival-Intendant Roland Geyer unisono betont. Es öffnen sich aber doch so manche Eingänge in einen Kaninchenbau, der zu speziellen Aspekten der Strauss-Biografie führt: Der übervolle Terminkalender des Komponisten, seine Arbeitslast und sein resultierendes Burnout (wie man heute sagen würde) werden durch ein Arrangement von Objekten greifbar. Die Frage, wie Strauss es mit der Politik hielt, begegnet in Form eines Rätsels. Ihr Rezensent, selbst ahnungslos, googelt später die „Freiheitslieder“ und die Strauss-Biografie und hat so manches Aha-Erlebnis. Der Nachwuchs googelt nichts.
APA/THOMAS RIEDER
Atmosphärisch trifft Sengl aber die Balance zwischen einer zeitgemäßen Anmutung und einer Erzählung aus dem vorvorigen Jahrhundert – ähnlich wie bei Graphic-Novel-Adaptionen historischer Stoffe, an deren Bildsprache die Künstlerin bewusst oder unbewusst andockt.
Es gibt Versatzstücke aus dem 19. Jahrhundert wie reproduzierte Plakate oder Dokumente, aber keinen Retro-Look. Sengls Gepflogenheit, Charaktere mit Tierköpfen auszustatten, schafft einen Abstand, der sich anders anfühlt als die Distanz, die etwa eine Museumsvitrine erzeugt. Der Johann Strauss-Charakter (mit dem Kopf eines Terriers und ernst-verzweifelter Miene) beeindruckt die jungen Co-Rezensenten jedenfalls.
Der von Museumsvitrinen verwöhnte Kunstkritiker-Vater findet die in Ikea-Regale eingebauten und mit handelsüblichen LEDs erleuchteten Dioramen allerdings ein wenig trashig. Aber Museumsstandards greifen wohl kaum für ein Spiel, das sich auch in der Rätsellöser-Szene bewähren will. Mit seiner Hintergründigkeit und seiner Ästhetik hebt sich der Escape Room in beiden Metiers jedenfalls …read more
Source:: Kurier.at – Kultur