
„Trump-Wähler sind nicht nur unreflektierte Leute“, sagt die ehemalige ORF-Korrespondentin. Sie erzählt, warum sie das Land liebt und wieso ihr der Abschied vom ORF leicht fiel.
KURIER: Sie haben in den USA studiert und jahrelang für den ORF dort gearbeitet. Fragen Sie sich manchmal: „Was ist nur aus meinem Amerika geworden?“
Hannelore Veit: Ja, manchmal schon. Das Amerika meines Studiums war ein Land mit unglaublicher Willkommenskultur. Das hat sich mit den Terroranschlägen 9/11 geändert, man wurde sehr misstrauisch gegenüber allem, was von draußen kommt. Seit der Ära Trump hat sich das noch einmal verschärft. Es ist ein anderes Amerika.
Wie oft sind Sie in den USA?
Im Vorjahr fünf Mal, weil ich für mein Buch mit Leuten vor Ort sprechen wollte. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich dort bin. Amerika hat mich geprägt. Die Menschen sind noch immer offen und freundlich, auch wenn das Land sehr polarisiert ist.
Was macht die Faszination Trumps für seine Wählerschaft aus?
Seine Wähler sind nicht nur unreflektierte Leute. Sie glauben, dass Trump gut ist für die Wirtschaft. Für die Inflation hat man Biden verantwortlich gemacht, obwohl das ein globales Phänomen war. Für viele ist außerdem die politische Korrektheit zu weit gegangen. Und Trump hat das Thema Einwanderung für sich besetzt. Diese Krise haben die Demokraten zu spät eingestanden.
kurier/Martin Stachl
Sind die Trump-Wähler nicht ernüchtert? Dafür ist es noch zu früh. Die Wähler, die ich für mein Buch befragt habe, meinen nach wie vor, Trump sei toll für das Land, und die Amerikaner seien bisher über den Tisch gezogen worden. Die Ukraine interessiert sie überhaupt nicht. Nur 50 Prozent der Amerikaner haben überhaupt einen Reisepass, sie haben das Land also nie verlassen. Das hat auch sehr viel Einfluss auf die Einstellung. Sie wollen nicht mehr die Retter der Welt sein und sich auf sich selbst konzentrieren.
Auf die Europäer wirkt Trump relativ einfältig.
Wir in Europa sehen immer nur die Ausschnitte, wo er wieder etwas Empörendes sagt. Wenn man ihm zuhört, so hat er schon eine gewisse Art von Humor und macht sich auch über sich selbst lustig. Eine Journalistin hat einmal über ihn gemeint: „Die Trump-Wähler nehmen ihn ernst, aber nicht wörtlich. Die Medien nehmen ihn wörtlich, aber nicht ernst.“ Da ist was dran.
Brauchen die Amerikaner nicht auch die Europäer?
Ja – aber mit Einschränkungen. Die Außenpolitik der USA ist nach China ausgerichtet, China ist der große Rivale. Und man meint, dass Europa nie genug für seine Verteidigung getan hat, was ja auch stimmt.
Ist es nicht erstaunlich, dass die Demokraten trotz des irrlichternden Trumps nicht vom Fleck kommen?
Die müssen erst aus ihrer Schockstarre erwachen. Biden hielt zu lange an seiner Kandidatur fest.
Hätte man denn eine Frau in Amerika gewählt?
Es ging bei Kamala Harris weniger um das Frauenthema, sondern es war nicht klar, wofür sie steht.
Wie erklären Sie sich eigentlich den plötzlich grassierenden Antisemitismus an den US-Universitäten?
Ich kann es mir nicht wirklich erklären. Ich war zufällig in den USA, als die pro-palästinensische Protestwelle losbrach, die dann auch in Gewalt ausartete. Etliche der Studenten haben nicht einmal gewusst, wofür sie da demonstrieren.
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Source:: Kurier.at – Kultur