Festspiele Erl: Ein Sängerfest des Belcantos

Kultur

Unter der Intendanz von Jonas Kaufmann hinterließ Puccinis „La Bohème“ musikalisch einen guten Eindruck, Bellinis „I puritani“ war eine Sternstunde.

von Helmut Christian Mayer

Schon von Beginn an verfolgt Mimì das Geschehen von einem Krankenbett vom Bühnenrand aus, wie auch in fast allen folgenden Bildern. Ihr Schicksal wird in Giacomo Puccinis „La Bohème“ bei den Tiroler Festspielen von der Regisseurin Bárbara Lluch sehr hautnah und immer eng am Libretto erzählt. Ihre Einsamkeit spiegelt sich auch meist im Bühnenbild (Alfons Flores), das mit den transparenten Wänden und den (zu häufigen) Projektionen teils ins Surreale gleitet. Im zweiten Bild fühlt man sich eher bei „Alice im Wunderland“ oder im Fasching als am Weihnachtsabend. Immer wieder tauchen kindliche Doppelgängerinnen von Mimì auf, eine Idee, die jedoch nicht weiter ausgeführt wird. Lluchs konventionelle Personenführung ist trotz Beengtheit der Mansarde vital und zum Finale teils ergreifend.

Es ist die erste Premiere unter der Intendanz des Festivals von Jonas Kaufmann, der es sich zu seiner Maxime gemacht hat, jungen, talentierten Sängerinnen und Sängern die Möglichkeit eines Auftritts zu geben: Dabei sticht vor allem der junge aufstrebende Long Long als Rodolfo mit herrlich schmelzigem Tenor und ungefährdeten Höhen hervor. Seine geliebte Mimì ist die innig, nuancenreiche singende Sara Cortolezzi, die jedoch anfänglich mit den Orchesterwogen zu kämpfen hat. Victoria Randem als Musetta fehlt es etwas an Koketterie, stimmlich singt sie ideal. Tommaso Barea ist mit seinem kernigen Bariton eine gute Besetzung für den Marcello, Jasurbek Khaydarov ein präsenter Colline, ebenso wie Liam James Karai als Schaunard. Sehr gut hört man den Chor des Hauses wie auch den Kinderchor.

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Etliche Gefühle vermag der neue Musikdirektor des Festivals Asher Fisch, ein versierter Kapellmeister, auch im (zu) groß dimensionierten Orchester der Tiroler Festspiele zu wecken. Allerdings erklingen Puccinis eingängige, herrliche Melodien manchmal zu laut und teils mit etwas zu wenig Feinschliff und Transparenz. Großer Jubel im ausverkauften Festspielhaus!

Wiederholung am 3. und 5. 1. 2025.

Gelungener Einstand

Mit seinem Welterfolg „Norma“ konnte sich „I puritani“ von Vincenzo Bellini nie messen. Das Beängstigende dieser Geschichte jener letzten Oper des großen Belcanto-Komponisten, die von einer Liebesgeschichte vor den historischen, blutrünstigen Machtkämpfen zwischen den Puritanern eines Oliver Cromwell und den königlichen Kavalieren im 17. Jahrhundert in England handelt, liegt auch am recht unschlüssigen Libretto und deren schwerer szenischer Umsetzbarkeit. Das dachte man sich wohl auch in Erl und ließ die zweite Opernproduktion dieses Winters konzertant erklingen.

In erster Linie es geht bei „I puritani“ um den Belcanto und das verlangt exzellente Sänger. Und diese sind trotz mehrerer krankheitsbedingter, kurzfristiger Nachbesetzungen reichlich vorhanden, ja man kann sogar von einem Sängerfest sprechen: Der eine Star des Abends heißt Jessica Prett und wird als Elvira zu Recht vom Publikum bejubelt. Auch die allerhöchsten Töne sitzen sicher, die Koloraturen sind technisch perfekt und von größter Sauberkeit, die Phrasierung und die Legatokultur sind wunderbar, der Ausdruck ist innig. Der zweite ist Levy Sekgapane als Arturo, Elviras Geliebter. Er verfügt über einen hellen, schlanken Tenor mit allen unglaublichen Höhen. Auch ein Ereignis: der kraftvoll und mit vielen Schattierungen seiner Rolle singende Mattia Olivieri als Riccardo. Giorgi Manoshvili …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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