Ein tragikomischer Roadtrip von und mit Jesse Eisenberg – und Kieran Culkin auf der Suche nach ihrer jüdischen Vergangenheit in Polen
Die Phrase „a real pain“ hat im Englischen zweifache Bedeutung. Wörtlich übersetzt lautet sie einfach „ein echter Schmerz“. Im übertragenen Sinn kann man damit aber auch einen Zustand oder einen Menschen meinen. Ist jemand „a real pain“, heißt das auf gut Deutsch: Er oder sie nervt total.
Der Schauspieler Jesse Eisenberg macht sich in seinem zweiten, herausragenden Film als Regisseur das weite Schmerzspektrum dieses Wortspiels zunutze. Mit dem Fingerspitzengefühl eines Herzchirurgen navigiert er seinen Roadtrip in die jüdische Vergangenheit durch den Grenzbereich von Tragik und Komödie, ohne jemals die Balance zu verlieren. Mit unglaublicher Leichtigkeit changiert er zwischen super-witzigen Dialogen und echter Trauer, Kifferkomik und Depression, Klamauk und Abgrund.
Das kongeniale Duett zwischen Eisenberg und seinem umwerfenden Hauptdarsteller Kieran Culkin – der kleine Bruder von „Kevin – Allein zu Haus“-Macaulay Culkin wurde für sein Spiel mit dem Golden Globe ausgezeichnet – macht es möglich. Egal, ob sie über Joints, schöne Füße, zerbrechende Jugendfreundschaften oder die Traumata der dritten Generation Holocaust-Überlebender reden – der Tonfall stimmt immer (ganz im Gegensatz zum Holocaust-Erinnerungsroadtrip „Treasure“ mit Lena Dunham und Stephen Fry).
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Jesse Eisenberg (li.) und Kieran Culkin in „A Real Pain“
Jesse Eisenberg spielt einen New Yorker Neurotiker namens David, der mit seinem Cousin Benji (Culkin) eine Reise nach Polen antritt, wo ihre jüdische Großmutter – eine Holocaust-Überlebende – bis zu ihrer Vertreibung lebte. Gemeinsam treten sie eine Kulturerbe-Tour an, auf der sie mit anderen Touristen die Reste jüdischen Lebens in Lublin suchen und schließlich das Konzentrationslager Majdanek besuchen.
Kontaktsüchtig
„Das wird eine Tour des Schmerzes“, warnt der Reiseleiter seine kleine Gruppe. Sie besteht aus einem „faden, jüdischen Ehepaar aus Ohio“ (Eigendefinition), einer frisch geschiedenen Frau aus Los Angeles (gespielt von „Dirty Dancing“-Baby Jennifer Grey) und einem Mann aus Ruanda, der den dortigen Genozid überlebt hat, sich dem Judentum nahe fühlt und konvertiert ist.
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Kieran Culkin und Jennifer Grey in „A Real Pain“
Der kontaktsüchtige Benji ist schnell der Mittelpunkt der Gruppe, redet mit jedem, schüttet allen sein Herz aus, hält aber auch mit kritischen Kommentaren nicht hinter dem Berg. David fühlt sich andauernd bemüßigt, sich für seinen Cousin zu entschuldigen. Doch Benji kommt trotz seiner Frechheit gut an, während David blass im Hintergrund bleibt.
Vordergründig trauert Benji um die verstorbene Großmutter, doch seine tiefe Melancholie reicht weiter. Wohnhaft in der Kellerwohnung seiner Eltern, hat er den Anschluss an das Leben als Erwachsener verpasst. David wiederum führt ein erfolgreich angepasstes Leben als gut verdienender Familienvater, muss seine äußere Gefasstheit allerdings mit Pillenschlucken unterstützen. Auf der gemeinsamen Reise finden die Cousins wieder zu einer gewissen Nähe, die aber nie über die Distanz zwischen ihnen hinwegtäuschen kann.
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Will Sharpe (li.) als Reiseführer mit Jesse Eisenberg in „A Real Pain“
Im Zusammenspiel überlässt Jesse Eisenberg seinem Kollegen eindeutig den Vortritt. Kieran Culkin wiederum spitzt in seinem mitreißenden Spiel seine hyperaktive Paraderolle als Roman Roy aus der TV-Serie „Succession“ zu, verleiht ihr aber zusätzlich emotionales Schwergewicht. Culkin es auch, dem das letzte Bild im Film gehört und dessen …read more
Source:: Kurier.at – Kultur