Adrien Brody spielt einen jüdischen Architekten, der für einen US-Millionär ein visionäres Projekt bauen soll. Zehn Oscarnominierungen – und ab Donnerstag im Kino
László Tóth, ein jüdischer Architekt aus Ungarn, hat den Holocaust überlebt und Europa verlassen. Nach langer Fahrt nähert sich sein Schiff dem Hafengebiet bei New York. Aufgeregt kämpft er sich gemeinsam mit anderen Emigranten aus der Dunkelheit unter Deck an die Oberfläche. Die Kamera wackelt, Menschen rufen durcheinander, Chaos bricht aus. Dann endlich das amerikanische Tageslicht und der erste Blick auf die Freiheitsstatue.
Durch den Tumult aber hat sich die Kameraperspektive verdreht: Die Freiheitsstatue steht auf dem Kopf.
Das Glücksversprechen des amerikanischen Traums, die Hoffnung auf ein besseres Leben, steht in „Der Brutalist“ von Anfang an unter schlechten, weil „verkehrten“ Vorzeichen. In maximalen Bildern erzählt Regisseur Brady Corbet – in enger Zusammenarbeit mit seiner Partnerin Mona Fastvold – von der Begegnung zweier Männer mit großen Visionen; von Emigration und (missglückter) Assimilation; vom industriellen Fortschritt im boomenden Nachkriegsamerika; und von Trauma, sexuellem Missbrauch und Drogensucht.
Mit dem Gestus eines Christopher Nolan („Oppenheimer“) drehte Corbet sein über dreieineinhalb Stunden – plus 15 Minuten Pause – langes, fesselndes Epos auf analogem VistaVision-Filmmaterial. Erfunden 1954, wurde es von Regisseuren wie Alfred Hitchcock verwendet und gilt als filmtechnischer Indikator der Fünfzigerjahre. Corbet, bekannt geworden durch die Faschisten-Biografie „The Childhood of a Leader“ und das Popsängerinnen-Porträt „Vox Lux“, sucht für „Der Brutalist“ das Fifties-Zeitkolorit. Bewusst lehnt er seine wunderschön komponierten Bilder an das klassische Hollywood-Kino an, ohne jedoch in leere Nachahmung zu verfallen. Irritationen der weitgehend konventionell, aber sehr kühl erzählten Geschichte, die alle Protagonisten durchwegs auf Armeslänge hält, erfolgen über die nervösen, oft atonalen Klänge der Filmmusik.
Auf dem Filmfestival in Venedig erhielt Corbet den Preis für beste Regie. Bei den Oscars zählt der Film mit zehn Nominierungen zum großen Favoriten.
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Adrien Brody (li.) und Guy Pearce: Der Künstler und sein Mäzen
Wer nach der Vorführung von „Der Brutalist“ zu googeln beginnt, um etwas über die Biografie des Architekten László Tóth zu erfahren, wird nicht fündig: Tóth ist eine fiktive Figur, sein Werdegang trotzdem exemplarisch: Er studierte in Dessau an der Bauhaus-Kunstschule, deren visionärer, modernistischer Stil von den Nazis als „entartet“ verboten wurde. Als Überlebender des Konzentrationslagers Buchenwald emigriert Tóth in die USA und versucht, Fuß zu fassen.
Antisemitismus
Seit seiner Oscar-gekrönten Rolle in „Der Pianist“ ist Adrien Brody wohl nicht mehr zu solchen Höchstleistungen hochgefahren wie in „Der Brutalist“: Mit zerquältem Gesichtsausdruck, geprägt von Schmerz und Heroinsucht, spielt er seinen gebrochenen Emigranten mit sanfter Stimme, aber mit unbeugsamem Willen zur Perfektion, wenn es um seine künstlerischen Prinzipien geht. Nach der Ankunft in New York wird er von seinem Cousin in Empfang genommen, der ein Möbelgeschäft in Pennsylvania betreibt. Über ihn kommt László in Kontakt mit einem Großindustriellen namens Harrison Van Buren.
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Felicity Jones als geforderte Ehefrau: „Der Brutalist“
Guy Pearce ist in schauspielerischer Treffsicherheit Adrien Brody durchaus ebenbürtig. Er verkörpert den kunstaffinen Millionär mit gestutztem Schnurrbart und der Gönnerhaftigkeit eines Haifischs im Goldfischteich. Van Buren engagiert Tóth, um ein visionäres Gemeindezentrum auf seinem weitläufigen Grundstück zu entwerfen, dessen aufwendiger, brutalistischer Betonbau bald …read more
Source:: Kurier.at – Kultur