Das Olympia-Attentat in München 1972 auf die israelische Mannschaft als packender Medien-Thriller
Es war ein größeres Medienereignis als die Mondlandung. Als am 5. September 1972 ein Vermummter auf den Balkon des olympischen Dorfes in München tritt, sehen ihm 900 Millionen Menschen in 98 Ländern live zu. Der Mann gehört zu der palästinensischen Terrorgruppe „Schwarzer September“, die bei den 20. Olympischen Sommerspielen neun Mitglieder der israelischen Mannschaft als Geiseln nahm. Zwei Sportler sind zu diesem Zeitpunkt bereits tot.
Diese dramatischen Ereignisse, die als erste Live-Übertragung eines Terrorakts Mediengeschichte schrieben, rekapituliert der Schweizer Regisseur Tim Fehlbaum als zügig inszenierten, packenden Thriller mit moralischer Fallhöhe. Als Erzählperspektive wählt er ausschließlich die Sicht der Sportjournalisten des US-Senders ABC.
Das Team rund um den ehrgeizigen TV-Producer Geoffrey Mason (John Magaro), Marvin Bader (Ben Chaplin) und den mächtigen Sportchef Roone Arledge (Peter Sarsgaard) plant am zehnten Tag der Wettkämpfe seine Live-Einstiege: zuerst Volleyball, dann Tennis und Boxen. Als um 4.40 Uhr die ersten Schüsse fallen, sind sie die Ersten, die sie hören.
Constantin
Leonie Benesch als Dolmetscherin in „September 5 – The Day Terror Went Live“
Doch was genau haben sie gehört? Und was hat es zu bedeuten? Erst nach und nach verdichten sich die Gerüchte um die Geiselnahme, die sich nur schwer verifizieren lassen. Eine junge Deutsche – mit verhaltener Intensität gespielt von Leonie Benesch – steht den Amerikanern als Dolmetscherin zur Seite und hört den deutschen Polizeifunk ab.
Überforderte Polizei
Auf dem engsten Raum eines eindringlichen Kammerspiels müssen die Reporter entscheiden, welche Rolle sie bei ihrer Live-Berichterstattung spielen wollen. ABC hat teure Sonderrechte erworben und die Kameras günstig platziert. Nicht nur zeigen sie Ansichten von den Dächern des olympischen Dorfes, sondern sie nehmen auch das Gebäude, in das sich die Geiselnehmer verschanzt haben, direkt in den Blick. Geliefert werden beklemmende Bilder, in denen man sieht, wie die (komplett überforderte) deutsche Polizei in Stellung geht.
Doch nicht nur die Welt kann die Live-Übertragung atemlos mitverfolgen, auch die Terroristen: Sie werden dank der Kameras auf dem Laufenden gehalten.
Constantin
Sportreporter von ABC berichten live vom Olympia-Attentat in München
Brennende Fragen drängen sich auf: Was, wenn eine Geisel vor der Kamera erschossen wird? Was, wenn deren Eltern die Exekution live im Fernsehen mitansehen müssen? Wessen Geschichte wird erzählt? Was darf gezeigt werden?
Medienethische Entscheidungen treiben die Handlung schnörkellos voran. Auf der Bildebene verschmilzt Fehlbaum das Archivmaterial der Ereignisse mit seinen eigenen Aufnahmen zu einem fast dokumentarisch anmutenden, charismatischen Zeitporträt.
Allein die heute prähistorisch anmutenden Equipments des News-Teams – die schweren Kameras, die Zwischentitel, die von Hand angefertigt werden – sind ein Schauwert für sich.
„September 5“ ist übrigens eine deutsche Produktion. Unsere Nachbarn hören schon die Oscarglocken läuten.
INFO: D/USA 2025. 95 Min. Von Tim Fehlbaum. Mit Peter Sarsgaard. John Magaro, Leonie Benesch.
Source:: Kurier.at – Kultur