Filmkritik zu „The Outrun“: Saoirse Ronan als Alkoholikerin

Kultur

Saoirse Ronan („Little Women“) imponiert als alkoholkranke Studentin, die sich auf die schottischen Orkney-Inseln zurückzieht und dort ihre Sucht bekämpft

Leicht wird es nie, nur etwas weniger hart. Seit 63 Tagen hat Rona keinen Alkohol mehr angerührt. Doch der Drang nach einem Drink kommt aus dem Nichts. Wenn sie ihm nachgibt, hebt er sie wie eine Welle hoch ins Glück selbstvergessener Ekstase, ehe er über ihr zusammenschlägt und sie in den Abgrund reißt. Die Wellenmetapher kommt nicht von ungefähr. Die karge Landschaft und das rollende Meer der schottischen Orkney-Inseln bebildern sinnfällig das zerstörte Innenleben einer jungen Frau, deren Alltag darin besteht, ihre Alkoholsucht zu bekämpfen.

Nora Fingscheidt, die deutsche Regisseurin von „The Outrun“, hat ein Händchen für Außenseiter. In ihrem Debütfilm „Systemsprenger“ folgte sie einem Mädchen, dessen Wutverhalten das deutsche Jugendamt an seine Grenzen bringt. In ihrem nächsten Spielfilm, dem US-Drama „The Unforgivable“, entließ sie Sandra Bullock aus dem Gefängnis ins Schlechtwetter von Seattle. Gebrandmarkt als Polizistenmörderin, erfährt sie von ihrer neuen Umwelt nur Hass und Ablehnung.

Auch in „The Outrun“ schlägt sich Fingscheidt auf die Seite der gesellschaftlichen Outcasts. Ihr durchdringendes Psychodrama basiert auf den Memoiren der schottischen Journalistin Amy Liptrot, die ein viel beachtetes Zeugnis ihrer Alkoholkrankheit abgelegt hatte und mit Fingscheidt das Drehbuch schrieb.

Der wahre Trumpf im Ärmel der Regisseurin aber heißt Saoirse Ronan. Die irisch-amerikanische Schauspielerin, vier Mal für einen Oscar nominiert und bekannt aus „Little Women“ und „Lady Bird“, lädt mit ihrem konzentrierten Spiel die bekannten Klischees von Rausch, Absturz und Reue mit großer emotionaler Intensität auf.

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Constantin

Ruiniert ihre Beziehung: Saoirse Ronan und Paapa Essiedu in „The Outrun“

Es ist herzzerreißend, dabei zuzusehen, wie eine begabte junge Frau ihr berufliches Umfeld auf der Universität und ihre glückliche Beziehung sukzessive mit ihrer Sucht zerstört. Ausgelassene Tanzpartys eskalieren zu aggressiven Raufereien, Paargespräche zu verletzendem Sich-Anbrüllen. Irgendwann helfen die Entschuldigungsrituale am nächsten Morgen nichts mehr; der Freund geht, das studentische Umfeld zieht sich befremdet zurück.

Nüchtern nie glücklich

All diese Ereignisse erzählt Nora Fingscheidt keineswegs chronologisch, sondern fragmentarisch und assoziativ. Um dem Alkohol endgültig zu entsagen, hat sich Rona auf die Orkney-Inseln zurückgezogen, wo sie ein einsames Leben in rauer Natur führt. Dort hat sie viel Zeit, um über ihre schwierige Kindheit – ihr Vater leidet an einer bipolaren Störung, die Mutter hat sich in die Religion geflüchtet – und jene Episoden ihres Lebens nachzudenken, die in sprunghaften Rückblenden schmerzhaft ihre Gegenwart durchlöchern. Die Architektur von Londons Häusern legt sich über die Felsenlandschaft von Orkney, die einsame Nacht auf der Insel verschmilzt mit einem Besuch im Nachtclub.

Constantin

Nüchtern nie glücklich: Saoirse Ronan als (trockene) Alkoholikerin

Rona hält ihren quälenden Erinnerungen den spartanischen Alltag der Insel entgegen, die spärlichen Kontakte mit der Dorfbevölkerung, den Wind und die wuchtige Natur. „The Outrun“ ist ebenso bitter wie lyrisch, kratzt manchmal am Gefühligen, überschreitet aber nie die Grenze zum Kitsch. „Ich werde nüchtern nie glücklich sein“, so Ronas niederschmetternde Einsicht. Trotzdem enden ihre Erinnerungen im Gelächter.

INFO: GB/D 2024. 118 Min. Von Nora Fingscheidt. Mit Saoirse Ronan, Saskia Reeves, Paapa Essiedu.

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Source:: Kurier.at – Kultur

      

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