„Fin de Partie“ an der Staatsoper: Bunter Abgesang auf eh alles

Kultur
++ HANDOUT ++ FOTOPROBE "FIN DE PARTIE" IN DER WIENER STAATSOPER

György Kurtágs Beckett-Adaption kam am Mittwochabend zur viel akklamierten österreichischen Erstaufführung.

Jetzt ist es also auch schon ein Vierteljahrhundert her, dieses verfluchte 20. Jahrhundert mit seinen unermesslichen Menschheitskatastrophen. Man kann es in all dem Lärm kaum mehr hören, aber der Nachhall bleibt: Wir haben all das angerichtet, was wir uns Menschen niemals zugetraut hätten.

Zwei Kunstprodukte haben das resultierende Erschrecken des Menschen vor sich selbst besonders eindringlich eingefangen. Die Neue Musik, die, meist in die allerengsten strukturellen Korsette gepackt, herauszufinden versuchte, wie nach all dem selbst erschaffenen Horror wieder Menschentöne gesetzt werden können.  Und Samuel Becketts absurdes Theater, das wie kein anderes erfasste, dass die Normalität, ja die Realität kaputtgegangen war.

An der Wiener Staatsoper nun fanden diese beiden Formen zueinander – in György Kurtágs Beckett-Adaption „Fin de Partie“, 2018 in Mailand als Musikereignis von Weltrang uraufgeführt, die am Mittwochabend zur am Ende viel akklamierten österreichischen Erstaufführung kam.  

WIENER STAATSOPER/MICHAEL PÖHN / MICHAEL PÖHN

Hier hat ein ganz Großer der Neuen Musik über zehn Jahre hinweg eines seiner Lebenswerke vertont, textverliebt und am Menschen entlang: Über weite Strecken hat der bei Fertigstellung der Oper weit über 90-Jährige mit aus Pausen auftauchenden Einzelklängen oder Miniaturphrasen eine Art Beschreibungsmusik der Körper- und Erzählregungen  verfasst. 

Dessen also, was bei Beckett als das einzig Unkaputtbare  vom Menschen verblieben war: Hamm, Clov, Nagg und Nell leben zwar in einer Nichtwelt, ineinander verbissen in toxischen, längst anlasslos gewordenen Hass-Beziehungen. Ihre Körper aber sind das, was vom Menschen überblieb, zerstört, verstümmelt, bewegungsunfähig zwar, aber irgendwie funktionstüchtig, zumindest mehr als der Rest. 

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Kurtág nun fokussiert auf diese, gibt dem Lachen Hamms im Rollstuhl ebenso Töne wie dem ungelenken Mühen Clovs, am Anfang Licht hereinzulassen. Die Musik spielt hier Pantomime, auch Sprechpantomime, sie zeichnet das verebbende Für und Wider nach, das hier zum Endspiel wird. 

WIENER STAATSOPER/MICHAEL PÖHN / MICHAEL PÖHNEin Körperauskenner als Regisseur 

Umso mehr Sinn macht es, dass man einen Körperauskenner als Regisseur holte: Das Markenzeichen von Herbert Fritsch ist ein Theater, das  aus Bewegung und dem ihr innewohnenden Witz geboren ist.  Jetzt könnte man hier innehalten und stutzen. Denn, auch das weiß man: Wer Beckett mag, muss fest daran glauben, dass aus Handlungsarmut auf Tuchfühlung zur (manchmal quälenden) Langeweile persönlicher Gewinn gezogen werden kann. Es passiert, eigentlich, nie etwas im Außen, sondern nur im Innen. 

Dafür gibt es schöne theatrale Lösungen, die Oper, ohnehin immer in Erstarrungsgefahr, aber tut sich hier schwerer. Fritsch also inszeniert redlich gegen die Handlungslosigkeit an, immerhin befinden wir uns hier wohl am Ende einer Zeit, es wird wohl die des Menschen gewesen sein.  Das hat etwas schön Verzweifeltes: Lesen wir den Untergang eben als Slapstick-Komödie, es ist ja auch schon egal.

WIENER STAATSOPER/MICHAEL PÖHN / MICHAEL PÖHN

Georg Nigl als Clov also tänzelt um seinen Meister Hamm (Philippe Sly) herum, entschuldigt sich mit kurzer Geste beim Publikum für die spontane Idee, ihn einfach zu erschlagen, macht deutlich, dass die vier Menschenüberbleibsel  einander eine olfaktorische Zumutung sind, und vermisst mit seinen Schritten die aus den Fugen geratene Welt: Die Bühne zeigt einen perspektivisch verschobenen Raum, dessen Decke am Schluss zu wacheln …read more

Source:: Kurier.at – Kultur

      

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